Bio im Tank macht bald ziemlich blank

SPD und Union wollen Subvention für Biodiesel streichen – heute sind das 47 Cent pro Liter. So steht es im Koalitionsvertrag. Umweltpolitiker rätseln dennoch, was ihre Parteispitzen entschieden haben. Biodiesel-Produzenten sind bereits alarmiert

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Es ist nur ein kleiner Satz im Koalitionsvertrag von Union und SPD, aber er sorgt für große Aufregung. Er findet sich auf Seite 42 und klingt recht technisch: „Die Mineralölsteuerbefreiung für Biokraftstoffe wird ersetzt durch eine Beimischungspflicht.“

Bisher ist reiner Biodiesel an den Tankstellen pro Liter etwa 10 Cent billiger als normaler Diesel. Mit diesem Privileg wäre es vorbei, falls Union und SPD ihren Vertrag wortgetreu umsetzen. Stattdessen würde Biodiesel 47 Cent teurer – das ist der Satz der Mineralölsteuer für Diesel, von dem die alternativen Kraftstoffen bisher befreit sind.

Stattdessen soll es eine Beimischungspflicht geben: Die Ölkonzerne würden gezwungen, bis 2010 all ihren normalen Produkten 5,75 Prozent an alternativen Kraftstoffen beizufügen. Das ist nicht ganz neu; eine EU-Richtlinie schreibt bereits vor, dass bis 2010 die Ölprodukte aus 5,75 Biostoffen bestehen sollen.

Die Ölkonzerne können nicht verstehen, warum Union und SPD jetzt einen Beimischungszwang androhen. „Wir übererfüllen unsere Quoten gerade“, sagt Barbara Meyer-Bukow vom Mineralölwirtschaftsverband. Für 2005 hat die EU eine Quote von 2 Prozent vorgegeben – „da sind wir weit drüber.“

70 Prozent des hergestellten Biodiesels werden allerdings nicht beigemischt, sondern als reiner Biodiesel verkauft – durch rund 1.900 Tankstellen. „Dieser Markt würde massakriert“, warnt Karin Retzlaff vom Verband der deutschen Biodiesel-Kraftstoff-Industrie. „Aber es ist ja eine sehr kurze Formulierung im Vertrag“, tröstet sie sich. Retzlaff will nun die „kommenden Wochen“ nutzen, um die „Ausgestaltung“ der Gesetze zu beeinflussen.

Allerdings kann sie verstehen, dass Union und SPD die Subventionen für den Biodiesel kürzen wollen. Schließlich hatte das rot-grüne Kabinett erst im Juli ermittelt, dass Biodiesel „überfördert“ wird. Reiner Biodiesel erhält 5 Cent pro Liter zu viel an Subventionen, bei Beimischungen sind es 10 Cent. „Klar, dass sich jede Regierung damit befassen muss“, sagt Retzlaff.

Rot-Grün hat im Juli auch ausgerechnet, was es kostet, dass Biodiesel gänzlich von der Mineralölsteuer befreit ist: 2004 verzichtete der Bund auf rund 559 Millionen Euro. Ohne die „Überförderung“ hätte der Staat 77 Millionen Euro mehr eingenommen. Retzlaff will nun darauf dringen, dass nur die unnötigen Subventionen zum Thema werden.

Vielleicht ist dieser Einsatz gar nicht nötig. Denn SPD-Fraktionsvize Michael Müller versicherte gestern, dass „alles bleibt, wie es ist“. Trotz der Koalitionsvereinbarung. Schließlich gelte das Mineralölsteuergesetz bis 2009. „Was danach ist, muss man sehen.“ Auch der grüne Energieexperte Hans-Josef Fell glaubt nicht, dass sich die Subventionen streichen lassen. Er sieht „große rechtliche Probleme, denn es gibt einen Vertrauensschutz“.

SPD-Energieexperte Hermann Scheer wundert sich ebenfalls über den kleinen Satz auf Seite 42: „Das wurde erst am Schluss in der Spitzenrunde entschieden.“ Die Ursprungsversion der Umweltpolitiker sah stattdessen vor, dass die alternativen Kraftstoffe weiter gefördert werden sollen. Allerdings habe man das „nicht ausdiskutiert“.

Nun hofft Scheer auf den Gesetzgebungsprozess. Der jetzige Satz sei „mehr als problematisch“. Er hat auch schon ein Kompromissangebot für den Finanzminister: Der Steuervorteil für Beimischungen könnte ruhig gestrichen werden – schließlich profitieren davon vor allem die Mineralölkonzerne, die die Steuerersparnis oft nicht an ihre Kunden weiterreichen. Reiner Biodiesel hingegen sollte weiter stark gefördert werden.

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