Tiefe Stimmen, tiefe Ignoranz

Beim Thema DDR-Doping bleiben ehemalige NOK-Funktionäre bei ihrem Kurs

POTSDAM taz ■ Hajo Seppelt wirkte erschöpft und konsterniert. Am Ende der zweitägigen Konferenz zum Thema „15 Jahre deutsche Einheit im Sport“ blieb dem Berliner Sportjournalisten nur die traurige Feststellung: „Auch so viele Jahre nach der Wiedervereinigung ist ein tabuloser Umgang mit dem Thema Doping immer noch nicht möglich.“ Auf dem von der Bundeszentrale für politische Bildung und der Universität Potsdam veranstalteten Kongress zeigten sich vor allem die ehemaligen Sportfunktionäre bei diesem heiklen Thema als Verharmloser und Verdränger. So wie Joachim Weiskopf, der erste und einzige frei gewählte Präsident des Nationalen Olympischen Komitees der DDR, der sich nicht entblödete, einen Witz auf Kosten der Dopingopfer zum Besten zu geben: „Großmutter, warum hast du so eine tiefe Stimme? Damit ich besser schwimmen kann!“

Weiskopf, von 1970 bis 1990 auch Beisitzer im Präsidium des DDR-NOK sowie Präsident des Kanu-Verbandes, behauptete zudem allen Ernstes, über keinerlei Kenntnisse zum Staatsdoping in der DDR verfügt zu haben. „In keiner Sitzung, an der ich teilgenommen habe, wurde das Thema Doping thematisiert. Kann sein, dass sie es besprochen haben, wenn ich nicht dabei war.“

Winfried Hermann kennt diesen ignoranten Umgang mit der unschönen Seite des DDR-Sporterbes längst. Im Gegensatz dazu forderte der sportpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, dass sich auch der Bundestag noch einmal mit der Entschädigung für die Opfer des flächendeckenden DDR-Dopingsystems beschäftigen müsse. Hermann: „Das 2002 verabschiedete Dopingopferhilfe-Gesetz hat mit dem aufgelegten Fonds von zwei Millionen Euro eine rein humanitäre Hilfe des Bundes angeboten, aber keine Entschädigung.“ Diesbezüglich kritisierte der Grünen-Politiker erneut den Umgang des gesamtdeutschen NOKs mit den durch das DDR-Sportsystems zu Schaden Gekommenen. Bis heute, so Hermann, habe sich das NOK seiner Verantwortung gegenüber den Dopingopfern nicht gestellt, obwohl es das Vermögen des DDR-NOKs, rund 5,6 Millionen Mark, bei der Vereinigung bereitwillig übernommen habe. „Das NOK hätte sagen sollen und könnte auch heute noch sagen: Wir sind zwar nicht schuldig, tragen aber die Verantwortung mit“, schlug Hermann vor.

Eine solche Sicht der Dinge stößt bei Walther Tröger, dem ehemaligen NOK-Chef, nach wie vor auf Unverständnis. Er beharrt darauf, dass das gesamtdeutsche NOK nicht Rechtsnachfolger der DDR-Organisation sei – und es deswegen auch keine juristische Verpflichtung des NOK zur Entschädigung geben könne. Immerhin sieht Tröger mittlerweile „eine moralische Verpflichtung“ und erklärte, das NOK sei jederzeit bereit, mit den Dopingopfern über eine „Abgeltung des erlittenen Unrechts“ zu sprechen. Dass der ehemalige NOK-Boss behauptet, es habe in den letzten Jahren von den Dopingopfern keinen Wunsch gegeben, „sich mit uns an einen Tisch zu setzen“, passt ins Bild. Der Wahrheit entspricht es nicht unbedingt. CHRISTIAN ZINGEL