Lob und Wut auf allen Seiten

Double Bind fürs Publikum: Seit dem Wochenende läuft Hany Abu-Assads Spielfilm „Paradise Now“ über zwei palästinensische Selbstmordattentäter in Israel

Die wenigsten Kritiker hängen der These an, der Film rechtfertige seine Hauptfiguren

Als „Paradise Now“ bei der diesjährigen Berlinale Premiere hatte, sagte der Regisseur, der Palästinenser Hany Abu-Assad, er wünsche sich, dass der Film in Israel gezeigt würde. „Palästinenser sind für die Israelis unsichtbar. Ich habe versucht, sie sichtbar zu machen, ihnen ein Gesicht zu geben.“ Einer der Produzenten des Filmes, der Israeli Amir Harel, äußerte freilich die Sorge, die israelischen Kinobetreiber könnten den Film übergehen. „Paradise Now“ handelt von zwei jungen palästinensischen Männern, die vorhaben, in Tel Aviv ein Selbstmordattentat zu verüben.

Nun ist der Wunsch von Hany Abu-Assad in Erfüllung gegangen. „Paradise Now“ lief im vergangenen Monat beim Internationalen Filmfestival von Haifa, und seit dem Wochenende ist er auch in Kinematheken in israelischen Großstädten zu sehen. Einige israelische Zeitungen haben ausführliche Artikel über den Film veröffentlicht, außerdem Interviews mit Hany Abu-Assad und dem Schauspieler Kais Nashef, der einen der Selbstmordattentäter spielt. Die Filmkritiker konnten „Paradise Now“ einige positive Aspekte abgewinnen; die wenigsten von ihnen hingen der These an, der Film versuche die palästinensischen Selbstmordattentate zu rechtfertigen.

„Israelische Zuschauer merken, dass sie in Bedrängnis sind, sobald die beiden Filmhelden aufbrechen, um Israel anzugreifen, die Bomben an ihren Körpern befestigt und beinahe von einer Patrouille der israelischen Armee erwischt werden.“ Dies schrieb Goel Pinto in der Zeitung Ha’aretz. Pinto sah eine Art von Double Bind: „Die Zuschauer werden von Panik ergriffen und schreien fast auf. Denn sie haben Angst, dass die Filmhelden gefasst werden. Und dies genau ist der Moment, in dem sie begreifen, dass es dem Film – der ja von etwas für unser aller Leben Zentralem handelt – gelungen ist, das Herz der Zuschauer zu erreichen.“ Pinto argumentierte weiter: „Nicht nur der Humor, auch der Einsatz zweier gut aussehender Schauspieler vertreibt die Wut.“

Auf der Website www.walla.co.il schrieb Michal Vinik, „Paradise Now“ sei „ein ausgezeichneter Film“, der ein gutes Drehbuch sowie eine stilsichere Regie habe und außerdem schön fotografiert sei. Die Rezensentin forderte das Publikum auf, dem Film eine Chance zu geben und ihm ohne Vorurteile zu begegnen.

Shmulik Duvdevani, der Filmkritiker der beliebten Website www.ynet.co.il, schrieb, der Film sei, obwohl gut gemacht, problematisch, da er die Wut beider Seiten – die der Israelis wie die der Palästinenser – entfache. Hany Abu-Assad drücke sich vor einer klaren Positionierung. „Es ist ein Film über die Folgen von Unterdrückung, aber vor allem ein Film über das Räderwerk des Todes, über die Verzweiflung und die Verwirrung. In diesem Sinne sind die beiden Helden wie Allegorien für den gegenwärtigen Zustand der palästinensischen Gesellschaft.“ AVNER SHAPIRA

Aus dem Englischen von Cristina Nord