Kein Platz für Nazis

Mit Infoständen und Veranstaltungen mobilisiert ein Antifa-Bündnis zur diesjährigen Demonstration am Todestag von Silvio Meier. Das missfällt einigen Neonazis. Sie überfielen einen Linken-Stand

VON PETER SONNTAG

Es ist kalt und regnet, der Herbst ist nun doch gekommen. Am S-Bahnhof Greifswalder Straße stehen am späten Mittwochnachmittag rund 60 junge Antifas. Sie halten Transparente und verteilen Flugblätter, die über rechte Übergriffe und Neonazis in Berlin informieren. Anlass der Veranstaltung ist die Silvio-Meier-Demo, die morgen unter dem Motto „keine Homezone für Faschisten“ zum 13. Mal stattfindet. Der Begriff „Homezone“ kommt aus dem Englischen und steht sinngemäß für „Kiez“. Mit jährlich gut 1.000 TeilnehmerInnen ist diese Demonstration neben der Moabiter Demo zum 9. November die größte regelmäßige Berliner Antifa-Demo.

Silvio Meier wurde am 21. November 1992 im U-Bahnhof Samariterstraße in Friedrichshain bei einer Auseinandersetzung mit Neonazis erstochen. Er war Hausbesetzer und Antifaschist. Jahrelang hing am Ausgang des U-Bahnhofs eine Gedenktafel, die an Meier erinnerte. Sie trug die Aufschrift: „Kein Vergeben, kein Vergessen. Hier wurde Silvio Meier am 21. November 1992 von Faschisten ermordet.“

In den 90er-Jahren war die Tafel einmal von der BVG abgehängt worden, weil sich die Verkehrsbetriebe um das „subjektive Sicherheitsempfinden“ ihrer Fahrgäste sorgten. Der Senat intervenierte daraufhin. Schließlich wurde die Gedenktafel dauerhaft aufgehängt.

Als nach der Sanierung der U 5 die Tafel vor einigen Wochen wieder angebracht werden sollte, war sie verschwunden. „Die zuständige Baufirma hatte die Tafel an eine Person ausgehändigt, die vorgab, sie restaurieren zu wollen“, sagt Johannes Reyersbach, Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB). „Weder der BVG noch der Firma kann ein Vorwurf gemacht werden. Wer die Tafel hat, ist wohl nicht zu klären.“ Am kommenden Montag werde eine neue Tafel angebracht; finanziert von einer Baufirma.

Bei der Kundgebung ist es ruhig. Und außerdem ungemütlich. Sprühregen fällt noch immer. Nur wenige PassantInnen bleiben stehen und reden mit den Demonstranten. Ein 35-jähriger Mann, der ein Flugblatt gerade überflogen hat, sagt: „Das ist eine gute Sache, die die da machen.“ Er eilt sofort weiter, weil seine S-Bahn einfährt.

Am vergangenen Donnerstag wurde am Bahnhof Lichtenberg ein Antifa-Infostand von Neonazis überfallen. Nun befürchten einige, dass auch hier die Rechten aktiv werden. Die Kundgebung ist angemeldet. Im Eingangsbereich des Bahnhofs stehen etwa 20 Polizisten.

In Lichtenberg hätten 12 bis 15 Neonazis mit Reizgas, Stangen und Flaschen angegriffen und einige Antifas verletzt, sagt Paul von der Antifa Hohenschönhausen. „Nach einer Viertelstunde kam die Polizei. Die Angreifer wurden zurückgedrängt, einige von ihnen haben wir erkannt.“ Darunter seien auch Mitglieder der im Sommer verbotenen „Kameradschaft Tor“, die sich in den letzten Jahren, neben der ebenfalls verbotenen „Berliner Alternative Südost“ (BASO), zu den aktivsten rechten Gruppierungen in Berlin entwickelt hatte. Paul findet, dass die Verbote wenig bewirkt haben: „Unter dem Namen ‚Freie Kräfte‘ sind die Gruppen weiter aktiv. Sie treten auch durch gewalttätige Übergriffe wie letzte Woche in Erscheinung.“ So haben Neonazis aus diesem Spektrum im Internet auf die Veranstaltungen im Vorfeld der Silvio-Meier-Demo aufmerksam gemacht und dazu aufgefordert, „nationalen Selbstschutz“ zu organisieren.

Die Silvio-Meier-Demo führt traditionell zu Schwerpunkten rechter Aktivitäten. Auch die Orte der Infostände und Veranstaltungen im Vorfeld sind danach gewählt. In die Gegend um den S-Bahnhof Greifswalder Straße seien jüngst viele Neonazis gezogen, erzählt Paul.

Um 19 Uhr endet die Kundgebung, durchgefroren gehen die TeilnehmerInnen nach Hause.

Treffpunkt für die morgige Silvio-Meier-Demo ist der U-Bahnhof Samariterstraße, 15 Uhr. Am Montag, den 21. November, findet um 17 Uhr eine Gedenkkundgebung für Silvio Meier in der Samariterstraße statt.