Union streitet für privat Versicherte

Die künftige Kanzlerin weist den Vorstoß von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zurück, die Ärztehonorare für gesetzlich und privat Krankenversicherte anzugleichen. Das sei mit der CDU nicht zu machen, sagt CDU-Generalsekretär Volker Kauder

von SABINE AM ORDE

Noch ist Ulla Schmidt für ihre zweite Amtszeit nicht vereidigt, da hat die SPD-Gesundheitsministerin ihre künftige Chefin schon gegen sich aufgebracht. Befremdet äußerte sich gestern die designierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über Schmidts Pläne, die Ärztehonorare für gesetzliche und private Krankenversicherte angleichen zu wollen. Das stehe nicht im Koalitionsvertrag, betonte Merkel.

Ihr Generalsekretär Volker Kauder machte klar, dass die CDU Schmidts Vorschläge auf keinen Fall mittragen werde. „Es war für mich schon überraschend“, sagte Kauder, „dass der Koalitionsvertrag von Frau Schmidt in die Richtung interpretiert wird, dass damit die Voraussetzungen für eine Form der Bürgerversicherung geschaffen werden.“ Schmidt will die Ärzte zwingen, gesetzlich und privat Krankenversicherte gleich zu behandeln. Deshalb sollen sie für eine medizinische Leistung das gleiche Honorar bekommen, egal ob der Behandelte privatversichert oder Kassenpatient ist. Das sagte die Ministerin am Donnerstag in mehreren Interviews.

Eine Blinddarmoperation bedeute für einen Arzt schließlich den gleichen Aufwand, unabhängig von der Versicherung des Kranken, sagte Schmidt. „Wer gesetzlich versichert ist, darf nicht das Gefühl haben, ein Mensch zweiter Klasse zu sein.“ Es sei ungerecht, wenn gesetzlich Versicherte länger auf eine Behandlung warten müssten als ein Privatpatient, an dem die Ärzte mehr verdienten. „Das steht, egal was jemand sagt, im Koalitionsvertrag“, legte die Ministerin gestern nach. Allerdings ist dort nur zu lesen, dass die Gebührenordnung für die Ärzte überarbeitet werden soll. Von einer einheitlichen Liste für privat und gesetzlich Versicherte steht dort nichts.

Bislang gibt es zwei unterschiedliche Listen. Die Gebührenordnung-Ärzte (GOÄ), die vom Staat festgelegt wird und für Privatversicherte gilt, orientiert sich dabei zwar an der Ordnung für die gesetzlich Versicherten. Mit einem großen Unterschied: Bei Abrechnungen für die Privatpatienten können die Ärzte die in der GOÄ festgelegte Summe zum Beispiel für eine Blinddarm-OP mit einem Faktor von bis zu 2,3, in begründeten Einzelfällen sogar von bis zu 3,5 multiplizieren. Deshalb verdienen Ärzte an den bundesweit etwa 10 Prozent Privatversicherten so viel mehr – und viele bevorzugen diese entsprechend.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält das schlicht für „medizinisch unethisch“, wie er der taz sagte. Es sei nicht einsehbar, warum Kassenpatienten, die mit bis zu 550 Euro monatlich zum Teil sehr hohe Beiträge zahlen, benachteiligt werden. Deshalb sei eine einheitliche Gebührenordnung notwenig. In ganz Europa gebe es kein anderes Land, dass zwei solcher Listen habe.

Anders als die Union behaupte, gehe es, so Lauterbach weiter, dabei nicht um die Bürgerversicherung. Bei dieser wären auch die Leistungskataloge der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen identisch. „Das ist aber nicht so.“

Dennoch hat die Gesundheitsministerin mit ihrem Vorstoß nicht nur die Union gegen sich aufgebracht: Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) befürchtet, dass Schmidt die Privatversicherung abschaffen will. „Die PKV hat unser Gesundheitssystem allein im letzten Jahr mit mehr als 8,5 Milliarden Euro gestützt“, sagte der PKV-Vorsitzende Reinhold Schulte. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung lehnte eine Nivellierung beider Honorarsysteme ab. Und der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe kritisierte, die Folge der Pläne sei Sozialausgleich mit „Dumpingsätzen“ für privatärztliche Leistungen.