Werte und Verbote

Die bisherige Kulturstaatsministerin nimmt ihren Abschied, ein Nachfolger ist noch nicht benannt: In der Zwischenzeit drängen seltsame Debatten in den Vordergrund

Man kann es die Überhöhungskompetenz nennen, das wäre die Fassung für Wohlmeinende. Oder auch – in gehässiger Version – die Quasselkompetenz. Jedenfalls wird derzeit eine Funktion des Staatsministers für Kultur und Medien besonders deutlich, die man bislang vielleicht unterschätzt hatte. Sie besteht darin, dieser ewigen Mischung aus Sorge, Klage und wolkigem Geschwurbel, der in der Kulturpolitik notorisch zu sein scheint, etwas entgegenzusetzen. Man kann sich nun natürlich fragen, ob man auf Bundes- und Regierungsebene überhaupt inhaltlich über Kunst und Kultur reden muss – und unabhängig halten sollte sich die Kulturszene vom Staat sowieso. Aber wenn man es denn will, dann geht es offensichtlich nur mit einem geeignet besetzten Kulturstaatsminister.

Das wird in dieser Zwischenzeit besonders deutlich. Christina Weiss, die bisherige Amtsinhaberin, gab diese Woche ihren Abschied aus der Politik bekannt. Ihr Nachfolger soll erst kommende Woche nach der Vereidigung des neuen Kabinetts ernannt werden (im Rennen sind weiterhin vor allem zwei CDU-KandidatInnen: Maria Böhmer, wertkonservative Vorsitzende der Frauenunion, und Bernd Neumann, langjähriger Bremer Parteichef). Das Haus ist also ohne Chef – und ohne den Spruch mit den Mäusen, die auf dem Tisch tanzen, wenn die Katze aus dem Haus ist, überstrapazieren zu wollen, darf man sagen: Auf dem Feld der Kulturpolitik werden derzeit die Gassenhauer diskutiert, die immer hervorgeholt werden, wenn man nichts Interessantes zu sagen hat.

Zum einen gibt es ein Hin und Her, ob der Kulturschutz als Staatsziel ins Grundgesetz aufgenommen soll. Als ob staatliche Institutionen Kultur überhaupt schützen könnten und nicht, wenn schon, dann bitte sehr stets als zurückhaltender Gast in Kulturkontexten auftreten sollten! Zum anderen gibt es mal wieder eine Verbotsdiskussion bei Computerspielen. Die Forderung, sogenannte Killerspiele, gemeint sind die Ego-Shooter, generell zu verbieten, hat es bis in den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD geschafft. Es scheint so, dass es vor allem zwei Typen von Politikern in die Kulturpolitik drängt: die beflissenen Wertevertreter, die „die“ Kunst bewahren wollen und bei einzelnen Künstlern dann immer aufs Gediegene setzen; und die Bedenkenträger, die auf neue kulturelle Formen stets mit zusammengezogenen Augenbrauen reagieren und ihr Unverständnis mit Pauschalanklagen übertünchen. Zusammengenommen ist das für eine lebendige Kulturszene eine gefährliche Mischung!

Bleibt zu hoffen, dass die Kanzlerin demnächst wirklich den Posten des Kulturstaatsministers neu besetzt und dabei vor allem einen Kandidaten findet, dem es gelingt, die Kulturpolitik vor den Kulturpolitikern zu schützen. Oder zumindest den Ball mal wieder in andere Felder zu spielen. DIRK KNIPPHALS