Warmlaufen im Vorprogramm

Personal und Programm für die Wahl 2006 beschließen die Grünen erst im Frühjahr. Die Debatten über mehr Öko und Integration beim heutigen Parteitag gelten aber als Test für mögliche Kandidaten

von Korbinian Frenzel

Die großen Kontroversen werden heute wohl ausbleiben, wenn die Grünen zu ihrem Landesparteitag zusammenkommen. Personalentscheidungen stehen nicht an, und selbst die Leitanträge dienen lediglich der „Vorprogrammdebatte“ mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl im nächsten Jahr. „Es geht um die Weiterentwicklung grüner Positionen“, erklärte der Landesvorsitzende Till Heyer-Stuffer am Vortag gegenüber der Presse. Und auch dabei werde sich die Basis, so die Erwartung der Parteispitze, nicht grundsätzlich streiten.

Für die rund 150 Delegierten könnte der Parteitag dennoch interessant werden – denn er gilt parteiintern als Schaulauf für die Postenvergabe im nächsten Abgeordnetenhaus. Im Frühjahr 2006 steht die Listenaufstellung für die Wahl zum Abgeordnetenhaus im Herbst an. „Es geht darum, durch gute Reden bei der Basis zu punkten und Erfolgsaussichten abzuchecken“, vermutet ein Mitglied des erweiterten Landesvorstands der Grünen. Das Spannendste am Parteitag könnten so am Ende Länge und Stärke des Applauses für die jeweiligen RednerInnen sein.

Inhaltlich soll es bei der Landesdelegiertenkonferenz um Integration und die Entwicklung Berlins gehen. Die Bündnisgrünen wollen dabei vor allem in der Umwelt- und Verkehrspolitik das Profil der Partei schärfen. Ziel soll etwa die Reduzierung der Zahl von Verkehrsopfern in der Stadt sein. Unter dem Stichwort vision zero wollen sie in der Berliner Politik das Leitbild durchsetzen, die Zahl der Toten und Schwerverletzten auf Berliner Straßen mittelfristig auf null zu senken. „Wir denken an Tempolimits oder bessere Fußgängerübergänge an Unfallschwerpunkten“, erläuterte Almuth Tharan, Kovorsitzende des Landesverbandes.

Um die Stadt lebenswerter zu machen, setzen die Grünen ansonsten auf bewährte Forderungen: Ausbau des ÖPNV, mehr Fahrradwege, Sanierung von Wohnraum statt Neubau. Es werde kein Parteitag der programmatischen Überraschungen, kündigte Heyer-Stuffer an. Stattdessen soll gerade das Thema Ökologie wiederentdeckt werden. „Öko ist unser Markenzeichen. Das Profil müssen wir stärken“, sekundierte Tharan.

In der Integrationspolitik setzen die Hauptstadtgrünen auf einen Senator für Integration. „So kann man die Zuständigkeiten am besten in einer Senatsverwaltung bündeln“, erklärte Heyer-Stuffer. Ein entsprechendes Amt soll unterstützt werden von so genannten Präventionsräten aus Polizei, Migrantenverbänden und lokalen Initiativen, die in sozialen Brennpunkten Konflikte entschärfen sollen.

Um Konflikte zu vermeiden, müssten auch die Mittel des Quartiersmanagements stärker auf die Problemkieze etwa in Kreuzberg oder in Moabit konzentriert werden. Landeschef Heyer-Stuffer warnte aber davor, die Probleme im Zusammenleben von Deutschen und Ausländern in den Vordergrund zu stellen: „Wir wollen die Chancen der Vielfalt in Berlin nutzen.“

Die Delegierten werden auch über die Lockerung der so genannten Neuenquote entscheiden. Bisher muss jeder dritte Listenplatz für die Abgeordnetenhauswahl mit jemandem besetzt werden, der zuvor nicht Mitglied eines Landes-, Bundes- oder des Europaparlaments war. Künftig gilt auch der noch als neu, der bereits anderthalb Jahre ein Mandat ausgeübt hat. „Es ist bisher unattraktiv, gegen Ende der Wahlperiode nachzurücken, weil man damit seine Chancen für die nächste Legislaturperiode verschlechtern könnte“, begründete Almuth Tharan den Satzungsänderungsvorschlag.

Aber auch hier wird wenig Widerspruch erwartet. Ob allerdings die notwendige Zweidrittelmehrheit zustande kommt, wagte die Parteispitze am Freitag nicht zu prognostizieren.