Förderung für fitte Migranten

Die Wall AG spendet Förderunterricht an einer Kreuzberger Grundschule – ausdrücklich für leistungsstarke SchülerInnen. 95 Prozent haben nicht Deutsch als Erstsprache

Rechnen scheint unter Berlins SPD-Politikern kein besonders beliebtes Schulfach gewesen zu sein. „Nur in der Grundschule“ sei er in Mathe gut gewesen, erklärte gestern der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Zudem war über ihn zu erfahren, dass er stark sei („manchmal“) und gerne zur Schule gegangen ist – trotz Mathe.

Die Kinder der Jens-Nydahl-Grundschule, die den Regierenden gestern ins Verhör nahmen, sollen bessere Chancen auf gute Rechenfähigkeiten haben. Die Wall AG sponsert an der Kreuzberger Schule nämlich Förderunterricht. Der richtet sich explizit nicht an die schlechten, sondern an leistungsstarke Schüler, insbesondere an die, die zwar gut in Mathe, dagegen aber nicht so gut in Deutsch sind.

„Haben wir deutsche Kinder hier?“ Auf die Frage von Manuela Seidel, Rektorin der Jens-Nydahl-Grundschule, erhebt sich eins der circa 50 Kinder, die dem Regierenden Bürgermeister und ihrem Förderer Hans Wall soeben ein Ständchen gebracht haben. 95 Prozent der 600 SchülerInnen der Schule am Kottbusser Tor sind nicht deutscher Herkunft. Die meisten von ihnen stammen aus türkischen und arabischen Zuwandererfamilien.

Hans Wall begrüßt sie als die „zukünftigen Führungskräfte der Wall AG“. Die Firma für Stadtmöbel und Außenwerbung, die unter anderem auch in Istanbul für die Gemütlichkeit der Bushaltestellen sorgt, sei ein international erfolgreiches Unternehmen, „und das wollen wir auch bleiben“, sagt dessen Vorstandsvorsitzender. Deshalb habe er bewusst eine Schule mit einem hohen Anteil von Migrantenkindern ausgesucht.

Je zehn Kinder aus der dritten, vierten und fünften Jahrgangsstufe bekommen in den „Wall-Klassen“ wöchentlich drei Stunden Extra-Unterricht. Die Kinder wurden dafür nach ihren Leistungen ausgesucht. Nicht alle Ausgewählten machten mit: Manchen Eltern war der zusätzliche Unterricht zu viel. Andere schreckten vor den Erwartungen zurück, die das Förderprojekt auch an sie stellt. Denn die Schule schließt mit den Eltern der geförderten Kinder Verträge ab. Darin verpflichten sich diese, an den förderbegleitenden Elternversammlungen und -gesprächen teilzunehmen.

Die Führungskräfte in spe tragen immerhin bereits T-Shirts ihres zukünftigen Arbeitgebers. Wall AG steht darauf und „Wissensfabrik“. Damit ist nicht die Schule gemeint, sondern der Zusammenschluss von 26 großen Unternehmen, die ähnliche Projekte an weiteren Schulen durchführen wollen. 18.000 Euro zahlt die Wall AG für das zunächst auf ein Jahr angelegte Projekt. Schulsenator Klaus Böger (SPD) begrüßt solches Engagement von Unternehmen als „notwendige zusätzliche Initiative“. Dies bedeute aber nicht, dass der Staat sich künftig aus der Förderung zurückziehe. ALKE WIERTH