EU treibt indische Bauern in den Ruin

Pro Kuh und Tag bekommen die Bauern in den Industriestaaten drei Dollar an Subvention – während viele Inder nur einen Dollar zum Überleben haben. Die indischen Bauern wollen sich gegen das Dumping bei Agrarimporten wehren

MUMBAI taz ■ Die Inder sind enttäuscht von der harten Haltung der EU bei den WTO-Verhandlungen. „Für Indien ist die Landwirtschaft für die Bauern eine Überlebensfrage“, erläutert Handelsminister Kamal Nath. „In den Industrieländern dagegen will man vor allem den Besitzstand der Bauern schützen.“ Indien unterstützt daher die asiatisch-pazifischen Staaten in der Apec, die die EU am Wochenende erneut aufgefordert haben, ihre Agrarsubventionen zu kürzen (siehe Kasten).

Die indische Landwirtschaft beschäftigt 600 Millionen Menschen und erwirtschaftet rund ein Drittel des Bruttosozialprodukts. Agrarfabriken sind selten. Die Bauernhöfe ernähren vor allem ihre Eigner, meist eine Großfamilie. Hunderte von Kleinbauern nahmen sich das Leben, weil sie in einen Kreislauf von Missernten, fallenden Erzeugerpreisen und Verschuldung geraten waren.

Schuld ist oft der Import subventionierter Nahrungsmittel, wie Agrarexperte Devinder Sharma an einem Beispiel erläutert: „Vor einigen Jahren kam ein Schiff mit dänischem Milchpulver an. Obwohl Milch hier sehr billig ist, war das dänische Milchpulver trotzdem mit 1.400 US-Dollar pro Tonne noch preiswerter – dank der europäischen Exportsubvention von 1.000 Dollar pro Tonne. Das billige Zeug wurde in der Provinz Punjab vermarktet. Dort fielen schlagartig die Preise und zwangen viele Bauern, die Milchwirtschaft aufzugeben. Unter einer einzigen Importlieferung hatten Tausende von Familien zu leiden.“

Während ein europäischer Bauer pro Kuh täglich drei Dollar erhält, „steht der ärmeren Hälfte der indischen Landbevölkerung weniger als ein Dollar für ihren täglichen Lebensunterhalt zur Verfügung“, ärgert sich Sharma. Die OECD-Staaten subventionieren ihre knapp 10 Millionen Landwirte mit rund 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Am 2. Oktober, dem feierlich begangenen Geburtstag Mahatma Gandhis, strömten fast 40.000 Bauern in die Hafenmetropole Mumbai und protestierten gegen das „Dumping“ bei subventionierten Agrarerzeugnissen wie Soyaöl oder Baumwolle. Die von den wichtigsten Bauernverbänden des Landes getragene Kampagne forderte, dass der Agrarsektor vollständig von der WTO abgekoppelt und die Subventionen weltweit gestrichen werden. Für den 13. Dezember haben vier linksgerichtete Parteien landesweite Proteste gegen die WTO angekündigt, die dann in Hongkong tagen wird.

REGINE HAFFSTEDT