Die jungen Kameraden der NPD

Im Koblenzer Prozess gegen die gewalttätige Kameradschaft Westerwald sagt ein Hauptangeklagter, der Verein sei auf Anregung der NPD gegründet worden

Der Vater eines Angeklagten: „Die Jungs haben doch niemanden umgebracht“

KOBLENZ taz ■ Im Prozess gegen 16 Mitglieder der rechtsextremen Kameradschaft Westerwald hat gestern ein mutmaßlicher Rädelsführer ausgepackt. Der 22 Jahre alte Auszubildende Christoph H. ließ vor dem Landgericht Koblenz seine Anwältin eine Erklärung verlesen, in der er alle Anklagepunkte als „richtig“ bezeichnete. Den Angeklagten werden die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie Volksverhetzung, Brandstiftung, Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen.

Christoph H. erklärte gestern dem Gericht, die NPD habe Mitte des Jahres 2002 die Gründung der Kameradschaft Westerwald angeregt. Die Nationaldemokraten hätten damals junge Leute „jenseits der Skinheadszene“ für ihre nationale Sache rekrutieren wollen.

Dass zunächst zwei Funktionäre der NPD bei der Kameradschaft das große Wort führten, sagt in einer Verhandlungspause auch Rechtsanwalt Hubertus Kempf aus Westerburg. Er verteidigt Sven Oliver E., einen kahl geschorenen jungen Mann mit einem Eisernen Kreuz als Tätowierung auf dem Rücken der rechten Hand.

Christoph H. war Vorstandsmitglied der Kameradschaft. Er wirkt zerknirscht, als er sagt, dass er die Taten bereue. H. hat 2003 in Siegen das Abitur gemacht und danach seinen Wehrdienst abgeleistet. Seine Lehrstelle als Industriemechaniker, erklärt er, werde nur noch bis Ende Dezember für ihn offen gehalten: eine verklausulierte Bitte um vorzeitige Entlassung aus der Untersuchungshaft. Dort sitzen noch weitere fünf Angeklagte, die alle in Handschellen vorgeführt worden sind.

Die Strafkammer hatte angeboten, geständigen „Kameraden“ in einem abgetrennten Verfahren schneller den Prozess machen zu wollen als den bislang verstockten mutmaßlichen Rädelsführern der Bande. Vier mutmaßliche Mitläufer legten am ersten Verhandlungstag Geständnisse ab.

Den nach Paragraf 129 a des Strafgesetzbuches als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung Angeklagten – unter ihnen auch drei jungen Frauen – wird vorgeworfen, sie hätten die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen und danach in Deutschland einen nationalen Sozialismus nach dem Vorbild des Dritten Reiches etablieren wollen.

Verteidiger Kempf setzt auf ein schnelles Verfahren „für alle“. Schließlich hätten jetzt schon fünf Verdächtige die Taten eingeräumt. „Gnadenurteile“ für Mitläufer werde es allerdings wohl nicht geben: „Die Staatsanwaltschaft wird alles daran setzen, dem Gericht wenigstens eine Verurteilung nach 129 a abzuringen“, sagte der Rechtsanwalt.

Das dürfte dem Gericht nicht allzu schwer fallen. Die auf insgesamt 40 Mitglieder geschätzte Kameradschaft Westerwald verfügte über feste Vereinsstrukturen mit Vorstand und Kassenwart. Im Keller der Gaststätte B 54 in Rennerod trafen sie sich regelmäßig zu Vereinssitzungen, auf denen sie Straftaten verabredeten. Nicht anwesende Mitglieder der Kameradschaft wurden per SMS über die Beschlüsse informiert.

Angriffsziele der Rechtsextremisten waren Linke überall im Westerwald. Sie attackierten ihre Konzerte und zündeten ihre Autos an. Und in Festzelten inszenierten die Neonazis auch schon einmal eine Schlägerei. Immer wieder waren auch Aussteiger aus der rechtsextremistischen Szene das Opfer ihrer Gewalttätigkeiten.

Anklagepunkte: Volksverhetzung, Brandstiftung, Körperverletzung

Christoph H. ist zwar geständig. Er versucht in der Verhandlung aber, seinen Anteil an den einzelnen Straftaten herunterzuspielen. Oft genug lässt ihn bei Nachfragen der Kammer und der Staatsanwaltschaft sein Gedächtnis im Stich. Bei einem Angriff der Rechtsextremisten mit Knüppeln und Baseballschlägern auf Besucher eines Punkkonzerts in Daaden will das Vorstandsmitglied der Kameradschaft gar „die Panik gekriegt“ haben und nach Hause gefahren sein. „Ich musste schließlich am Morgen auch noch die Bild-Zeitung austragen.“ Als die Polizei Christoph H.s Wohnung durchsuchte, fand sie Schwarzpulver und eine Diskette mit der Anleitung zum Bombenbau.

Im Gerichtssaal sitzen die Eltern und Geschwister der Angeklagten. Ein Vater empört sich darüber, dass „unsere Kinder hier wie Schwerverbrecher behandelt werden“. Ihre rechtsextremen Ansichten teile er zwar nicht, sagt er dann bestimmt: „Aber die Jungs haben doch niemanden umgebracht!?“

Das Verfahren wird am morgigen Mittwoch fortgesetzt. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT