Ruhe an der Kulturfront

Lieber Effizienz als Profilierung: Bernd Neumann wird neuer Kulturstaatsminister

Interessant, wie wenig die CDU an die bürgerliche Traditionanknüpfen will, künstlerisch auf der Höhe der Zeit zu sein

Dies ist der ideale Kulturstaatsminister für Leute, die das Amt eines Kulturstaatsministers im Grunde für überflüssig halten. Bernd Neumann, CDU-Chef in Bremen, für den sich Angela Merkel nun schlussendlich entschieden hat, ist bislang weder als intellektueller Taktgeber aufgefallen noch als leidenschaftlicher Rezipient aktueller Kulturerzeugnisse. Wohl aber als gut vernetzter Kommunikator im Dickicht der für die kulturellen Belange zuständigen Bundestagsausschüsse (siehe Porträt auf Seite 2). Diese Besetzung legt nahe: Angela Merkel will Ruhe an der Kulturfront. Sie erhofft sich ein effizientes Umsetzen anstehender Entscheidungen. Ansonsten aber: keine Einmischung, bitte sehr!

Der Deutsche Kulturrat, der sich als Cheflobbyorganisation der Kulturschaffenden versteht, hat schnell sein Einverständnis signalisiert. Wahrscheinlich wird die Kulturpolitik mit einem so erfahrenen Apparatschik auch wirklich rund laufen; so ein fein abgestimmter politischer Prozess interessiert Lobbyismusapparate fast noch mehr als gute inhaltliche Ergebnisse. Allerdings ist dies Lob in einer früheren Presseerklärung schon mal vergiftet worden: Gerade ein so schwaches Amt wie das des Kulturstaatssekretärs brauche einen „Polit-Profi“, so der Kulturrat vor zwei Wochen. Er sieht Neumann also wenigstens als guten Ausputzer, wenn die CDU das Kulturstaatsministerium schon nicht neu erfinden will.

Ob das reicht, ist die eine Frage. Die andere betrifft das Verständnis von Kultur, das sich darin ausdrückt. Die Entscheidung drückt so ziemlich das Gegenteil der Rhetorik aus, die die rot-grüne Regierung pflegte. Christina Weiss, die bisherige Amtsinhaberin, und auch Gerhard Schröder klagten gern „Irritationen“ und „Denkanstöße“ von den Künstlern ein. Wie ernst sie das Angebot meinten, konnte allerdings nie recht getestet werden. Leider kam nämlich auf solche Angebote von Künstlerseite allzu oft nur der Hinweis, dass der Markt nicht alles sei und im Übrigen Einsparungen im Kulturbereich barbarisch seien. Das hatten sich die Politiker schon selbst denken können.

Das ist der wahre Hintergrund dafür, dass man die Berufung von Bernd Neumann nicht so empört zur Kenntnis nimmt, wie es die konservative Ausrichtung dieses Kandidaten eigentlich nahe legen würde. Man hat Schwierigkeiten damit, auf gelungene Irritationen und Einmischungen zu verweisen, die nun möglicherweise unter dem neuen Kulturstaatsminister nicht mehr stattfinden würden. Das Gerede von der Kulturnation, auf das sich Christina Weiss zuletzt einließ, kann es jedenfalls nicht sein. Schiller kann man jederzeit auch ohne Rückendeckung aus der Bundespolitik feiern. Und für die vielen tatsächlich interessanten zeitgenössischen Interventionen vom Bereich der Kultur aus sorgt schon die Bundeskulturstiftung. Indem Neumann sie weiterhin in Ruhe lässt, kann er sich ein Stück weit wohlwollendes Desinteresse durch die Kulturszene erkaufen.

Eins allerdings ist dann doch bemerkenswert: dass die Konservativen hierzulande offensichtlich so wenig Lust auf Profilierung im Kultursektor haben. Ein Besuch in Bayreuth gehört zwar irgendwie dazu. Aber ansonsten will man davon möglichst wenig belästigt werden. Es gab im Bürgertum immer wieder den Willen, künstlerisch auf der Höhe der Zeit zu sein. Interessant, dass die jetzige CDU so wenig an solche Traditionen anknüpfen will.

DIRK KNIPPHALS