Bayern kontrollieren Berliner Uni-Politik

Wer in der Mensa einer Berliner Uni werben will, braucht dafür eine Genehmigung – die kommt aus Bayreuth. Das gilt auch für politische Flyer

VON ANNE MÄRTENS

Wer eine Mensa oder Uni-Cafeteria betritt, denkt eigentlich an unterdurchschnittliche Mahlzeiten und Kaffee aus Pappbechern. Doch die Szenerie hier gleicht eher einer Wirtschaftsmesse. Bankazubis aus dem dritten Lehrjahr versuchen, den Studierenden zwischen Mittagessen und der nächsten Vorlesung ein kostenloses Konto aufzuschwatzen. Verlage wollen den Erstsemestern ein Zeitungsabo andrehen. Und Handyprovider werben auf Hochglanzflyern für die günstigsten Tarife. Da klingelt die Kasse – nicht nur bei den Unternehmen, für die Studenten eine beliebte Zielgruppe sind.

Doch wer in einer Berliner Mensa werben will, braucht eine Genehmigung – und die gibt es aus Bayreuth. Der Grund: Das hiesige Studentenwerk hat einen Dienstleistungsvertrag für alle ihm unterstellten Einrichtungen mit der Firma „Campus direkt“ geschlossen – insgesamt sind das 38 Mensen und Cafeterien. Das Unternehmen aus Nordbayern akquiriert Werbekunden für das Studentenwerk und verwaltet gleichzeitig, wann welche Firma wie und wo werben darf. Einen Tag Reklame beispielsweise in der Mensa der Technischen Universität (TU) kostet 220 Euro, erklärt Stefanie König, „Werbeerlaubnisverkäuferin“ bei Campus direkt. 80 Prozent der Einnahmen gingen an das Studentenwerk, 20 Prozent verblieben in der Firmenkasse, sagt Jürgen Morgenstern, Sprecher des Studentenwerks. Er sieht es gern, wenn die großen Wirtschaftsunternehmen die Speiseräume okkupieren, schließlich subventionierten sie damit indirekt das günstige Mensa-Essen. Und durch die zentrale Organisation der Werbeaktionen gebe es kein Durcheinander, ist sich Stefanie König sicher. Doch bei so viel Ordnung geht auch die Spontanität flöten – und die Politik bleibt außen vor.

Diese Erfahrung machte Holger Busse. Der 25-jährige Architekturstudent schrieb im vergangenen Wintersemester eine Hausarbeit über den Palast der Republik und befand darin, dass der Palast aus kulturhistorischer Sicht ein wichtiges Denkmal sei. Doch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema war für Holger Busse nicht genug. Er hat sich dem Bündnis für den Erhalt des Palastes angeschlossen: Busse will sich engagieren, eben einfach Farbe bekennen. Dafür hängte er große braune Plakate in die Mensa der TU, an extra für Aushänge ausgewiesenen Stellen. Dann ging er Mittag essen. Kurz darauf waren die Plakate verschwunden. „Was nicht von Campus direkt genehmigt ist, darf auch nicht aufgehängt werden“, liefert ein Mitarbeiter des Studentenwerks die offensichtliche Begründung.

„Das ist doch absurd. Handyanbieter werben in der Cafeteria für ‚Freedom of Speech‘ und ich darf mich nur mit vorheriger Anmeldung für den Palast aussprechen“, ärgert sich der 25-Jährige.

Eine schriftliche Anfrage sei notwendig. Schließlich müssten die Inhalte genau geprüft werden, verteidigt König das Genehmigungsverfahren durch Campus direkt. Studenten dürften auch Flyer verteilen, sogar umsonst – aber eben nur nach Prüfung in Nordbayern.