Polizisten stehen viel zu lang rum

Die 1.250 Objektschützer der Polizei schieben massiv Überstunden. Einige klagen deswegen vor dem Arbeitsgericht gegen die Innenverwaltung – und dürften gewinnen. Das löst das Problem bloß nicht

Von Otto Diederichs

Auf Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch kommt neuer Ärger zu. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bereitet für mehrere Kollegen aus dem polizeilichen Objektschutz Klagen wegen fortgesetzten Verstoßes gegen den Tarifvertrag vor. Noch vor Weihnachten sollen die ersten drei bis fünf Klageschriften beim Arbeitsgericht eingereicht werden.

Hintergrund ist der Mitte 2003 zwischen dem Land Berlin und den Gewerkschaften abgeschlossene Vertrag für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst. Darin ist vereinbart, dass die Beschäftigten Lohneinbußen zwischen 8 und 12 Prozent akzeptieren und dafür entsprechenden Freizeitausgleich erhalten. Im Schnitt 260 Euro macht der Lohnverzicht pro Monat aus.

Insbesondere bei den Objektschützern funktioniert die Vereinbarung jedoch überhaupt nicht, sagen GdP-Boss Eberhard Schönberg und der Personalrat der Wachschützer, Thomas Kleemann. Einer der Kläger etwa habe seit 2004 „mehrfach vergeblich“ versucht, einen Antrag auf Freizeitausgleich zu stellen, diesen allerdings nie bewilligt bekommen. Rund 140 Stunden hat der Mann angesammelt.

Ein anderer Beschäftigter habe seinen Freizeitwunsch drei Monate vorher bei der Behörde angemeldet und prompt zwei Tage später die Ablehnung erhalten. Darüber hinaus sei sein beantragter Kurzurlaub gestrichen und der Mann stattdessen zu einer Fortbildung geschickt worden. Laut GdP sind von dem Problem rund 1.250 Wachschützer betroffen. Sie bewachen Ministerien, Wohnungen von Bundesministern und Senatoren, ausländische Botschaften, Synagogen und andere als gefährdet geltende Objekte.

Hinzu kommen etwa 800 Angestellte bei der Gefangenenbewachung. Allerdings sei es bei dieser Gruppe „insgesamt einfacher“, ihren Anspruch durchzusetzen, räumen die GdP-Funktionäre ein. Bei den Wachschützern jedoch sei die Situation dramatisch. Rund 210 Männer und Frauen würden täglich benötigt – tatsächlich verfügbar seien aber lediglich etwa 180. Hier müssen dann Schutzpolizisten einspringen. Zudem liege das Durchschnittsalter der Wachschützer bei zirka 51 Jahren, hat Kleemann errechnet; rund 140 kommen im nächsten Jahr ins Rentenalter oder könnten Altersteilzeit beantragen. „Das tun die meisten auch. Bei Wind und Wetter ständig draußen zu stehen geht auf die Knochen“, sagt er.

Problem ist bekannt

Das Problem ist offenbar bekannt. Polizeivizepräsident Gerd Neubeck hat Anfang August die Innenverwaltung schriftlich darüber informiert, dass sich die Polizeibehörde nicht in der Lage sehe, den Tarifvertrag im Bereich des Objektschutzes umzusetzen. Und: Innensenator Körting habe ihm am Rande einer Personalversammlung zugestanden, dass die GdP „das Ding ja dann wohl gewinnen werde“, sagt deren Geschäftsführer Klaus Eisenreich.

Wie geht es danach weiter? Durchschnittlich 140 Stunden je 1.250 Betroffene – das ergäbe gute 175.000 Stunden Freizeitanspruch. Geht dann der gesamte Objektschutz in Urlaub? Ein finanzieller Ausgleich ist im Tarifvertrag ausdrücklich nicht vorgesehen. Da hilft es wenig, dass die ab Januar 2006 geplanten 35 Neueinstellungen nun noch einmal um 20 aufgestockt werden. Erst vor kurzem nämlich hat der Senat in den Haushaltsberatungen beim Objektschutz einen Abbau um 121 Stellen beschlossen.

Bei der bisherigen Hand voll Klägern kann die richterliche Durchsetzung des Anspruchs derzeit noch ausgehebelt werden, indem die Freizeit im letzten Moment gewährt wird. Schönberg und Kleemann hoffen deswegen auf weitere Klagewillige. In der Innenverwaltung ist von den geplanten Klagen bisher nichts bekannt, sagt Körtings Sprecher Martin Steltner.