Verliebte Vielfalt

Erfolgsmodell Los Angeles: Im Rahmen von „Verzaubert“, dem schwullesbischen Filmfestival, läuft heute der Pilotfilm zur aufregenden TV-Serie „The L Word“

„I'm your man.“ Im Untergeschoss eines Parkhauses performt Ivan (Kelly Lynch) mit tiefer Stimme den Mann für alle Gelegenheiten: Lover, Boxer, Driver, Friend. Kit (Pam Grier) lehnt am Auto, sichtlich gerührt. Im Off läuft der Song von Leonard Cohen. Seit „Jackie Brown“ hat Pam Grier ein wenig zugenommen; inmitten der übrigen Protagonistinnen von „The L Word“ – alle erfolgreich, smart, um die 30 – behauptet sie eine eigenwillige Präsenz.

„Sorry, I'm a straight woman, I love men.“ Mit diesen Worten hat sie am Tag zuvor noch versucht, Ivan die falschen Hoffnungen auszutreiben. Ivan ist kein Mann im klassischen Sinne, sondern bewegt sich zwischen Transgender, Dragking, Something. Und er ist rührend um das Wohlergehen von Kit besorgt. Da Kit nicht zu sagen vermag, was genau sie will, kontert Ivan, dass sie dann auch nicht wissen könne, ob er/sie ihre Bedürfnisse nicht doch zu erfüllen vermag. Die Antwort bleibt uns die erste Staffel von „The L Word“ schuldig, die jetzt auf dem schwullesbischen Filmfestival „Verzaubert“ im Kino vorgestellt wird.

Wer in letzter Zeit US-amerikanische Serien wie „Six Feet Under“, „Sopranos“ oder „Buffy“ verfolgt hat, weiß, dass es innerhalb jeder Serie eine Folge gibt, die auf beinahe surreale Weise nochmal all die emotionalen Zustände und Erzählstränge bündelt. In „The L Word“ verdichten sich die alltäglichen Plaudereien, Verhältnisse und Storys rund um die Protagonistinnen, die regelmäßig im Café The Planet abhängen, zu Images von Race, Class, Sex und Gender.

Ähnlich wie bei „Six Feet Under“ beginnen manche Folgen mit einem knapp skizzierten Ereignis, das mit dem Rest der Handlung auf den ersten Blick nichts zu tun hat, jedoch später wieder aufgegriffen wird. Auf diese Weise schleicht sich überraschend Theorie in die Fernsehserie. Manchmal schimmern dabei auch neue Lösungen auf, die all den postmodernen Beziehungs-Bedürfnissen gerecht werden könnten. Die Kleinfamilie scheidet bei „The L Word“ bisher aus, auch wenn das Langzeit-Vorzeigepärchen Bette (Jennifer Beals) und Tina (Laurel Holloman) im Pilotfilm genau diese Lösung anstrebt.

Neben der strukturellen gibt es auch personelle Überschneidungen mit „Six Feet Under“. Zum Beispiel im Fall von Rose Troche, die den Pilotfilm von „The L Word“ gedreht hat und neben der Initiatorin der Serie, Ilene Chaiken, am häufigsten als Koproduzentin, Autorin und Regisseurin genannt wird. Auch Filmemacherinnen wie Lynne Stopkewich, Lisa Cholodenko oder die langjährige Gefährtin von Rose Troche, Guinevere Turner, haben ihren festen Platz in „The L Word“ und in „Six Feet Under“. Details zum Casting, zu heterosexuellen Schauspielerinnen in Lesbenrollen, zur US-amerikanischen Rezeption und zum diffizilen Setting von Sexszenen kann man sehr ausführlich auf der Webseite http://ragingwind.net/lweb/ nachlesen .

Interessant ist dabei, dass Ilene Chaiken immer wieder betont, es gehe ihr zuallererst darum, das vielfältige Leben der Lesbenszene abzubilden: story-telling als politisches Statement. Den Vorwurf, die Protagonistinnen der Serie seien ähnlich wie die von „Sex and the City“ unverhältnismäßig gut aussehend und beruflich zu erfolgreich, kontert Chaiken einerseits mit der Empfehlung, einschlägige Cafés in Los Angeles aufzusuchen; andererseits reagiert sie, indem sie neue Figuren entwickelt. Ein möglichst breites Spektrum abzudecken, daran sei ihr sehr gelegen.

Angeblich hat Pro 7 nach einigem Hin und Her nun doch die deutschen Rechte an „The L Word“ erworben. Wenn alles nach Plan verläuft, flimmert die Serie im ersten Halbjahr 2006 auch bei uns über den Bildschirm. ANNETT BUSCH

„The L Word“, heute, 15.15 Uhr, Kino International; das Programm von Verzaubert findet sich unter www.verzaubertfilmfest.de