Kuckensema: Leinwand Nordwest
: „Devil’s Miner“: Kinderarbeit im „Berg des Teufels“

Es ist immer nur dunkel und staubig und die Menschen husten und schwitzen: Die Filmemacher Kief Davidson und Richard Ladkani haben die Hölle auf Erden, oder besser: darunter, gefunden! Kein Wunder, dass die Bergarbeiter, die in den 450 Jahre alten Minen des „Cerro Rico“ in Bolivien Silber abbauen, den Berg als das Reich des Teufels ansehen und in jedem Stollen einen dämonisch wirkenden Götzen aufstellen, dem sie Opfergaben bringen und zu dem sie beten.

Wer hier arbeitet, verbringt mehr Zeit seines Lebens unter als über der Erde, und er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit schon sehr jung an einer Staublunge sterben. Da er kaum etwas verdiente, und sich sozial nie absichern konnte, droht seiner Familie dann der Hungertod, und um diesem zu entrinnen, müssen auch seine Söhne in den Minen arbeiteten. In diesem Teufelskreis sind der 14-jährige Basilo Vargas und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Bernardino gefangen, zwei noch sehr kindlich wirkende Indios, deren Alltag die Kamera in „Devil’s Miner“ dokumentiert.

Es gibt keinen Kommentar, die beiden Jungen, ihre Mutter, jünger Schwester, Arbeitskollegen und Vorarbeiter antworten zwar manchmal auf Frage direkt in die Kamera, aber die meiste Zeit begleiten die Filmemacher einfach nur die beiden Jungen bei ihrer täglichen Arbeit. Dazu mussten auch sie in die bis zu 1.500 Meter langen und 500 Meter tiefen Stollen steigen, die mit Arsen-Gas verpestete Luft und den Staub einatmen, durch die engen, meist ungesicherten Stollen kriechen und dann in der ewigen Dunkelheit oft nur mit den Gaslampen der Kinder als Lichtquellen ihre Aufnahmen machen.

Dabei macht es die neuste Digitaltechnik möglich, dass man überhaupt etwas sieht. Aber man spürt bei diesen Bildern, wie gefährlich und hart diese Arbeit ist. Das Dynamit für die Sprengungen wird mit einer einfachen Lunte entzündet, wenn eine mit Erz beladener Wagon auf den Gleisen durch die Schächte donnert, müssen die Arbeiter schnell zur Seite springen, weil sie sonst überrollt werden, und bei unangekündigten Explosionen können sie nur weglaufen, um nicht in den Staubwolken zu ersticken.

Mit ihrer Mutter wohnen die beiden direkt am Ausgang einer der Minen, wo ihre kleine Schwester nicht etwa im Schlamm mit ihren Puppen spielt, sondern als menschlicher Wachhund das Gelände sichert. Die ganze Familie scheint nur ein organisches Anhängsel der Mine zu sein.

Mit Basilio haben die Filmemacher einen sympathischen Protagonisten gefunden, der manchmal auch noch die Rolle des Kommentators übernimmt. So erklärt er etwa vor der Kamera seinem Bruder, dass die von ihnen angebeteten Götzen vor Jahrhunderten von den spanischen Eroberern erfunden wurden, die damit die Indios in den Minen durch Angst beherrschten. Diese analytisch präzisen Sätze wurden ihm offensichtlich von den Filmemachern in den Mund gelegt. Sie wollten ohne Erzähler auskommen, aber auch unbedingt diese Information in ihrem Film unterbringen.

Diese kleine Unschärfe ist verzeihlich, denn sie mindert den erschütternden Eindruck kaum, denn „Devil’s Miner“ bei Zuschauer hinterlässt. Ganz nüchtern und ohne Pathos zeigt der Film, unter welchen elenden Bedingungen Menschen heute in einem unterentwickelten Land leben müssen. Und es wird nicht mit naivem Pathos gegen die Kinderarbeit gewettert, sondern statt dessen das Dilemma von Basilio und seiner Familie beschrieben: Er und sein Bruder müssen in der Mine arbeiten, um zu überleben.

In dem ähnlich erschütternden Dokumentarfilm „Lost Children“ über afrikanische Kindersoldaten waren Gut und Böse, Opfer und Täter noch eindeutiger auszumachen. Basilio ist die Kindheit ebenso brutal gestohlen worden wie dort den ugandischen Achtjährigen mit den toten Augen. Aber wer ist dafür verantwortlich?

Wilfried Hippen

„Devil’s Miner“ läuft im Hannoveraner Apollo Studio sowie im Künstlerhaus, im Bremer „Atlantis“ und im „Casablanca“ Oldenburg