Abschiebung – jetzt oder später

Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution werden noch zu wenig geschützt

Genau 24 Frauen und ein Mann haben derzeit in Berlin eine befristete Aufenthaltserlaubnis, weil sie bereit sind, in Prozessen um Zwangsprostitution und Menschenhandel auszusagen. Diese Zahl nannte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern auf einer Fachtagung der Senatsverwaltung für Frauen.

Dass immer noch viel zu wenige Opfer von Zwangsprostitution es wagen, sich an Polizei oder Justiz zu wenden, wurde nicht nur von den Beratungsstellen beklagt. Polizeipräsident Dieter Glietsch machte die derzeitige Rechtslage dafür verantwortlich. Die sieht so aus: Ausländische Opfer von Menschenhandel dürfen in Deutschland bleiben, so lange Polizei oder Staatsanwaltschaft ihre Aussagen benötigen. Sind Prozesse beendet oder wird eine Zeugin im Verfahren nicht mehr gebraucht, kann sie jederzeit abgeschoben werden.

Diese Aussicht, so Glietsch, biete den Opfern wenig Anreiz zur Zusammenarbeit mit der Polizei. Dies behindere die erfolgreiche Bekämpfung von Menschenhandel.

Beeindruckt zeigte Glietsch sich von der auf der Tagung präsentierten italienischen Lösung. Wer nachweisen kann, Opfer von Menschenhandel zu sein, bekommt in Italien ein von der Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz unabhängiges Aufenthaltsrecht. Er oder sie wird zudem verpflichtet, an Integrationsprogrammen teilzunehmen.

Innensenator Körting und der ebenfalls anwesenden Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) gefallen solche Regelungen nicht. Über Härtefallregelungen oder den Nachweis persönlicher Gefährdung im Heimatland könne jetzt schon ein längerer Aufenthalt der Opfer in Deutschland ermöglicht werden, so Körting. Schubert sieht gar den Gleichheitsgrundsatz in Gefahr, wenn man einer Gruppe „illegaler Einwanderer“ Aufenthaltsrechte anbiete, anderen aber nicht.

Nivedita Prasad von der Opferberatungsstelle Ban Ying kann da nur mit den Schultern zucken. Sie fordert seit langem, ähnliche Regelungen in Berlin anzuwenden. In Italien hat sich die Zahl der Opfer, die zu Aussagen gegen Menschenhändler bereit sind, verzehnfacht. Damit verbessert sich auch die Aufklärungsquote. „Wenn sich auch in Berlin die Zahl von derzeit 24 aussagebereiten Opfern verzehnfachen würde“, so Prasad, „dann wäre das immer noch eine niedrige Zahl.“ ALKE WIERTH