Bedroht durch verklemmte Männer

betr.: „Ein feines Dokument“, Kommentar von Jan Feddersen am 24. 11. 05

Die katholische Kirche hat bemerkt, dass Schwule „echte Wesen“, „einfach als solche da“ sind und irgendwie wohl sogar ein Lebensrecht haben. Und diese Wahnsinnserkenntnis feiert Jan Feddersen allen Ernstes als eine „Zäsur“?

Ein verklemmter Männerklub bedroht all jene seiner Angestellten (nicht nur Priester, sondern alle, von der Krankenschwester bis zum Hausmeister) mit Entlassung, die kein heuchlerisches Versteckspiel ertragen wollen, und bestätigt abermals, dass Schwule, wenn sie schon mal überflüssigerweise am Leben sind, niemals darüber reden dürfen, wie sie sind – aber all das verliert ja an Gewicht hinter der ermutigenden Sensation, dass der Vatikan nun sogar die politischen Aktivitäten der Homosexuellen wahrgenommen hat!

Man könnte fast neidisch sein auf Feddersens Fähigkeit, schiere Beleidigungen in Erfolge umzudeuten. Wie weit kann man sein Verständnis von Menschenwürde denn runterschrauben, um die Erniedrigungen der katholischen Kirche nicht einmal mehr anstößig zu finden? Über die Idee, im Konfliktfall „die andere Wange hinzuhalten“, mag man streiten. Aber wenn mir einer ins Gesicht spuckt, bejubele ich nicht noch die tolle Authentizität seiner Handlung.

Übrigens ist es eine Zumutung, die Einschränkung der Priesterzulassung für Schwule als eine angemessene Reaktion auf Missbrauchsfälle in der Kirche lesen zu sollen. Eine Kritik an der bewussten Verschleierung fast aller bisherigen Missbrauchsfälle durch die Kirchenoberen wäre wohl hilfreicher gewesen als dieses gedankenlose Abnicken von Stammtischparolen. VOLKER BEER, Marburg