Berliner Schnauze spürt steife Brise

Auch wenn noch nichts klar ist: Im Streit um den angedrohten Umzug vergreifen sich Politiker beider Städte im Ton

Die Hamburger plaudern euphorisch – die Berliner versuchenzu retten, was zu retten ist

Die feine hanseatische Art ist das nicht: Wowereits Worte spiegelten das Denken von SPD und PDS in Berlin, „ausschließlich auf politische Beziehungen und Mitleid“ zu setzen, ließ Hamburgs Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wissen. Der hatte zuvor die Bundeskanzlerin um Beistand angerufen – und in Richtung Alster gemotzt: „Wenn Herr Mehdorn die Koffer gepackt haben will, dann sollten wir ihn davon nicht abhalten. Aber die Mitarbeiter bleiben in Berlin.“

Zwischen Hamburg und Berlin ist eine verbale Schlacht entbrannt. Im Streit um den angedrohten Umzug der Zentrale und anderer Unternehmensbereiche der Deutschen Bahn in die Hansestadt gilt die Devise: Die Hamburger plaudern euphorisch – die Berliner versuchen zu retten, was zu retten ist.

So verkündete die Verkehrssenatorin der Hauptstadt, Ingeborg Junge-Reyer (SPD), nach einem Termin mit Bahnchef Hartmut Mehdorn gestern: Entschieden sei noch nichts, und überhaupt: „Die Atmosphäre war sehr gut.“ Wowereit, der mit dem Bahnchef nicht gut kann, griff am Wochenende lieber zum Telefon und bat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um Hilfe. Die wiederum schaltete ihren Verkehrsminister ein. Nachmittags befragte also Wolfgang Tiefensee (SPD) den Bahnchef zu seinen Plänen, er wird sie dem Kabinett heute erläutern.

Über die schweigt sich die Bahn offiziell noch aus, doch glaubt man den Hamburgern, sind sie weit gediehen. Finanzsenator Peiner geht von einer zügigen Einigung aus: „Wir haben die Eckdaten für die vertragliche Absichtserklärung zum Kauf verabredet.“ Neben der Beteiligung an der Hafen- und Logistikgesellschaft und der Hamburger Hochbahn werde auch über ein Grundstück für die neue Hauptverwaltung verhandelt. Dies hieße, dass die Konzernzentrale, die am Potsdamer Platz residiert, nach Hamburg zieht. Für den Bahnchef gäbe es zwei Effekte: Zum einen läuft der teure Mietvertrag 2010 aus, zum anderen ließe sich der von Mehdorn gewollte Abbau von 400 der 850 Stellen elegant miterledigen. Gerade die symbolträchtige Zentrale will Wowereit aber keinesfalls hergeben: „Es macht keinen Sinn, sie zu verlagern, nur weil man sich in Hamburg engagiert.“ ULRICH SCHULTE