Die Flat Tax ist nur ein Verschiebebahnhof

Osteuropas Erfahrungen mit dem einheitlichen Steuersatz zeigen: Von einer Flat Tax profitieren vor allem die Reichen

BERLIN taz ■ Einfach soll die ideale Steuer sein und Unternehmen möglichst wenig belasten. Gern sähen Wirtschaftsvertreter daher die Einführung eines einheitlichen Steuersatzes für alle Einkünfte – egal wie hoch und aus welcher Quelle. Dabei verweisen sie auf die angeblich positiven Erfahrungen in Osteuropa. Dabei lohnt ein zweiter Blick.

In Russland etwa sprudelten nach der Einführung einer Einheitssteuer von nur 13 Prozent tatsächlich ab 2001 die Steuereinnahmen. Allein im folgenden Jahr schossen die Einnahmen aus der Einkommensteuer um 26 Prozent in die Höhe. Die Reform wurde zum Vorbild für andere Transformationsländer. Doch als der Internationale Währungsfonds untersuchte, woher die höheren Steuereinnahmen tatsächlich kamen, war das Ergebnis: „Es gibt keine deutlichen Hinweise darauf, dass die Steuerreform die Ursache für den Steuereinnahmeboom war.“ Ein wesentlicher Grund für die erhöhten Zahlungen sei eine verbesserte Zahlungsmoral, die vermutlich nichts mit den vereinheitlichten Steuersätzen zu tun habe. Tatsächlich hatte der russische Staat parallel zur Reform damit begonnen, die Steuern konsequenter einzutreiben und Sünder teilweise brutal zu verfolgen.

Das Vorbild für westliche Länder ist denn auch die Slowakei, die 2004 nicht nur die Lohn- und Gewinnsteuer, sondern auch die Mehrwertsteuer bei 19 Prozent festzurrte. Auch hier ist der Erfolg jedoch fragwürdig.

Prem Sikka, Professor für Rechnungswesen an der Universität von Essex, erklärt, die Steuerreform bestrafe die Schaffung von Arbeitsplätzen: Der Staat halte sich an den Sozialversicherungsabgaben schadlos. Arbeitgeber zahlen neben der Steuer von 19 Prozent auf alle Löhne 35,2 Prozent Abgaben. Arbeitnehmer müssen 13,4 Prozent ihres Lohns oder Gehalts abführen. Damit sind die Lohnnebenkosten ähnlich hoch wie in Deutschland. Und: Die Arbeitslosenrate liegt nach wie vor bei 17,5 Prozent. Selbst eine Sozialreform, nach der jeder jeden Job zu jedem Lohn annehmen muss, brachte kaum einen Rückgang.

Auch die positiven Effekte der Steuerreform für die Staatskasse bezweifelt Sikka. Die Einnahmen aus der Einkommensteuer ließen nach und würden nur durch die höheren Mehrwertsteuern wettgemacht. „Eine Flat Tax verschiebt die Steuerlast auf Verbraucher und Arbeitnehmer.“

In der Slowakei diskutiert man nun immerhin eine Modifikation der Mehrwertsteuer: Der Steuersatz für Lebensmittel soll wieder vermindert werden.

„Hier herrscht das Gefühl vor, dass vor allem die Reichen von den Reformen profitieren“, sagt Lubomir Tokár, Politologe an der Uni von Matej Bel. „Aber die Investitionen aus dem Ausland scheinen tatsächlich zuzunehmen.“ Dadurch seien die Steuereinnahmen bislang trotz des niedrigeren Steuersatzes stabil geblieben. Doch Tokár bezweifelt, dass die Steuern der Grund für den Investitionsboom sind: „Die meisten Investoren sind eher an den billigen, relativ gut ausgebildeten Arbeitskräften hier interessiert.“ Und die derzeit hohen Wachstumsraten könnten auch ein bloßer Aufholeffekt sein. NICOLA LIEBERT