Giftgemüse frisch auf den Tisch

Der Umweltverband Greenpeace macht den Test: Wie belastet ist Obst und Gemüse, das im Supermarkt verkauft wird? Besonders viel Pestizide fanden die Tester bei Lidl und Real. Verbraucherschützer fordern nun Giftlisten an den Ladenregalen

VON HANNA GERSMANN

Lidl und Real verkaufen Obst und Gemüse, das besonders stark mit Ackergiften belastet ist. Das hat die Umweltorganisation Greenpeace in ihrem Test „Supermärkte im Pestizid-Vergleich“ aufgedeckt. Edeka, Spar, Tengelmann und Rewe landeten im Mittelfeld. Am besten schnitt Aldi ab. Allerdings ist auch der Beste nicht gut: Ein Fünftel der Frischware im Discounter-Regal ist aus Sicht der Umweltschützer „nicht empfehlenswert“.

„Die deutschen Supermärkte bieten die billigsten Lebensmittel in Westeuropa an“, sagt Manfred Krautter, Chemieexperte von Greenpeace. Die Qualität bleibe dabei „auf der Strecke“. Die Umweltschützer haben im September in den großen Supermärkten Deutschlands Obst eingekauft: Birnen, Weintrauben, Pfirsiche. Auch Gemüse nahmen sie mit: Tomaten, Gurken, Paprika, Karotten und Kopfsalat. Die knapp 660 Proben wurden in einem Labor auf 300 Giftstoffe untersucht.

Tatsächlich erschreckt das Ergebnis: Bei 100 Proben wurden mehr Rückstände gefunden als erlaubt sind. 16 wiesen Belastungen auf, die für kleine Kinder als akut gesundheitsgefährdend gelten. Und in 27 Fällen besteht der Verdacht, dass Spritzmittel eingesetzt wurden, die längst verboten sind. Greenpeace erstattete in allen Fällen Anzeige bei den zuständigen Behörden und Staatsanwaltschaften. Krautter: „Das Treiben des Lebensmittelhandels grenzt an kriminelle Geschäfte.“

„Die steigenden Belastungen und zunehmende Pestizidcocktails gefährden unsere Gesundheit“, bestätigt Kurt Müller, Vorstand des Deutschen Berufsverbandes der Umweltmediziner. Kopfsalat, Pfirsiche und Trauben waren besonders belastet. In türkischen Trauben fanden die Tester gar 18 verschiedene Gifte.

60 Prozent allen Obstes und Gemüses, das in deutschen Supermärkten angeboten wird, kommt aus dem Ausland. Und in den Mittelmeerländern wird noch immer besonders viel Gift gegen Schädlinge oder Pilze eingesetzt. „Aber auch die deutschen Bauern sind keine Musterknaben“, sagt Krautter. Sie spritzten häufig noch bis kurz vor der Ernte. Deshalb müssten die Kontrollen verschärft und es könnte auch mal „ein Laden dichtgemacht werden“.

Lidl verweigerte gestern eine Stellungnahme. Edeka will immerhin „mit Greenpeace reden“. Sprecher Alexander Lüders betonte aber: „Wir haben selbst ausgefeilte Kontrollmechanismen.“ Den Hinweis nahm Thomas Isenberg, Ernährungsexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, auf: „Wer solche Tests macht, muss auch die Ergebnisse veröffentlichen – als Liste am Ladenregal.“

Für den Staat ist die Kontrolle angesichts knapper Kassen offenbar ein Problem. Für die vielen Gifte bräuchten die Ämter viele teure Analysegeräte, erklärt die grüne Politikerin Bärbel Höhn. Die neue Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verbraucherschutz beteuert jedoch: „Das Thema steht aber auf der Agenda.“ Ihr Tipp heißt: „Esst mehr Produkte aus der Region oder dem Bioladen.“

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