Flirt mit dem Totschlag

Konservative französische Politiker wollen die Texte von sieben Rappern verbieten, weil sie angeblich mitverantwortlich für die Gewalt in der Banlieue seien – eine notorische Herangehensweise

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Verbieten ist ein kulturpolitischer Reflex der französischen Rechten. Er sitzt tief, und im Augenblick ist der Rap betroffen: 201 rechte ParlamentarierInnen haben den Justizminister aufgefordert, sieben Rapper zu verfolgen: weil sie „Hass in der Bevölkerung säen“ und „zu Gewalt aufrufen“. François Grosdidier, Rädelsführer der KlägerInnen, begründet die Aktion so: „Ihre Musik gehört zu den Faktoren der Unruhen in den Vorstädten.“

Sein erstes Rap-Erlebnis hatte Grosdidier lange bevor die Unruhe begann. Im vergangenen Hochsommer hörte der Abgeordnete bei seinem Sohn ein Stück von „Monsieur R“ und war schockiert. Unter dem Titel „FranSSe“ heißt es: „Frankreich ist eine Schlampe, die du ficken musst, bis sie erschöpft ist.“ „Monsieur R“, der im echten Leben Richard Makela heißt, wurde zum Auslöser für die rechte Klage.

Ich ficke eure Nation

Bislang sind sechs weitere Rapper hinzugekommen. Allesamt Männer mit aggressiven Texten: „Smala“ mit dem Stück „Meurtre légal“ (legaler Totschlag), in dem es über „die Bullen“ heißt: „Fickt ihre Mütter.“ Der Rapper „Fabe“, der im Stück „Impertinent“ erzählt: „Das Leben ist eine Demo, Frankreich eine Glasscheibe und ich der Pflasterstein.“ „Salif“ der in „Tous ensemble, chacun pour soi“ (alle zusammen und jeder für sich) schreit: „Die Pitbulls sind losgelassen (…) die Scheiben zerschlagen, die Bullen gelyncht und Paris brennt.“ Die Gruppe „Lunatic“, die in „Temps mort“ (tote Zeit) singt: „Ich werde Frankreich plündern (…) Ich träume davon, eine Kugel in einen Bullenkopf zu jagen.“ Die Gruppe „Ministère Amère“, die in „Flirt avec le meurtre“ (Flirt mit dem Totschlag) erklärt: „Ich möchte Panam (Paris, d. Red.) unter Napalm sehen.“ Und die Gruppe „113“, die in „Face à la police“ (der Polizei gegenüber) erklärt: „Ich ficke eure Nation. Seit wir klein sind, hassen wir die blaue Uniform.“

Die Liste zeigt, dass die klagenden Abgeordneten musikalisch nicht auf dem neuesten Stand sind. Das letzte Album von „Ministère Amère“ ist zehn Jahre alt. Die Gruppe „Lunatic“ hat sich im Jahr 2002 aufgelöst. „Fabe“ macht seit sieben Jahren keinen Rap mehr. Und „113“ hat bereits zweimal den angesehenen Musikpreis „Victoires de la musique“ gewonnen.

Umstritten ist auch, ob die Texte von Rappern tatsächlich zu Gewalt führen. Oder ob sie eher ein Ausdrucksmittel sind, um die alltägliche Gewalt in den trostlosen Vorstädten zu beschreiben. Viele Jugendliche betrachten die RapperInnen – in der Rap-Szene gibt es auch Musikerinnen – als die eigentlichen SprecherInnen der Banlieue. Einzelne Rapper erklären jetzt in Interviews, dass ihre Musik eher die Gewalt kanalisiert, als dazu aufzurufen. „Die Leute aus meinem Milieu sind keine Engelchen“, sagt der 28-jährige Rapper „Rohff“, dem eine Gefängnisstrafe wegen einer Schlägerei droht, „aber wir sind nicht verantwortlich für die soziale Misere in der Banlieue. Die Politiker können mit Worten umgehen und sie verdrehen. Wir nicht.“

Bluttriefendes Liedgut

In Frankreich hat das Verbot unliebsamer Stücke – manchmal inklusive Haftstrafen für die Musiker – eine lange Tradition. Betroffen waren oft MusikerInnen, die heute dem Land zur Ehre gereichen: von Boris Vian bis zu Léo Ferre. Gewalt als Thema ist ein Dauerbrenner in der Kulturproduktion Frankreichs. Ein besonders gewaltverliebtes Musikstück lernt jedes Kind schon in der Grundschule. Es wird gespielt, wo immer der Staatspräsident auftritt. „Zu den Waffen, Citoyens“ heißt es im Refrain der Marseillaise, „das unreine Blut möge unsere Furche tränken.“