„Sorgfalt ist nötig!“

Forscher Michael Haller hat Medienmacher zur Zukunft ihres Jobs befragt: „Journalisten müssen stärker auf den Austausch mit den Nutzern setzen“

Interview Philipp Dudek

taz: Herr Haller, was genau ist eigentlich ein Journalist?

Michael Haller: Die Definition ist ein Problem für jede Studie, weil die Berufsbezeichnung Journalist in Deutschland nicht geschützt ist. In unserer Berfragung galt jeder als Journalist, der mindestens zwei Stunden pro Tag für ein journalistisches Produkt unter redaktioneller Verantwortung arbeitet. Damit haben wir auch die Freien und die Teilzeitarbeiter berücksichtigt.

In Ihrer aktuellen Studie „Die Zukunft des Journalismus“ sprechen Sie von einer bedrohten Profession. Wer oder was bedroht den Journalistenberuf?

Die Bedrohung kommt von drei Seiten. Da ist der verschärfte Wettbewerb mit seinem Kommerzialisierungsdruck. Der fördert eine Nachrichtenauswahl, die nicht mehr viel mit dem zu tun hat, was man Relevanz nennen könnte. Zweitens bewirkt der ständige Abbau von Personal, dass in manchen Redaktionen selbst minimale Sorgfaltsregeln nicht mehr eingehalten werden können. Dazu kommt die instrumentelle Ebene: Journalisten müssen mit der sich rasant verändernden Kommunikationstechnik umgehen können.

Welchen Herausforderungen müssen sich die Journalisten innerhalb der nächsten zehn Jahre sonst noch stellen?

Die handwerkliche Sorgfalt muss gestärkt werden. Außerdem sollten sich Journalisten gegen den ökonomischen Druck behaupten. Hier sind vor allem die Berufsverbände in der Pflicht. Und man muss wissen, wie die verschiedenen Medien rezipiert werden. Eine Onlinezeitung wird anders gelesen als eine Printzeitung. Ein Hörfunkbeitrag funktioniert ganz anders als ein Fernsehbeitrag. Die meisten Journalisten glauben bis heute, Publikumsforschung und Leseverhalten sei nichts für sie. Aus solchen Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen, fällt Journalisten schwer, ist aber dringend nötig.

Müssen Journalisten künftig also schreiben, moderieren und filmen können? Verschwimmen hinter den Kulissen die Grenzen zwischen den Medien?

Das könnte man so sagen. Journalisten müssen sich verstärkt als Kommunikatoren verstehen und auf den Austausch mit den Rezipienten setzen. Das muss nicht im billigen Nutzwert enden, aber man wird sich mehr an den Bedürfnissen der Rezipienten orientieren. Der Auflagenrückgang der Tageszeitungen ist zum Teil auch der Schlafmützigkeit der Blattmacher geschuldet. Die machen noch immer Zeitungen wie vor 30 Jahren.

Sie haben rund 7.500 Medienschaffende nach den Zukunftsaussichten der Branche befragt. Inwieweit erschließen solche Studien tatsächlich einen Blick in die Zukunft?

Anfang der 90er-Jahre hat sich eine Forschergruppe um Siegfried Weischenberg mit journalistischen Zukunftsfragen auseinandergesetzt. Deren Befragung hat einige treffende Voraussagen erzielt. Wir knüpfen daran an. Ein interessanter Punkt ist die Genderfrage. Vor allem die befragten Männer glauben, dass sich in zehn Jahren Frauen auch in der journalistischen Führungsebene durchgesetzt haben werden. Viele Frauen sind der Ansicht, dass sie das gar nicht wollen. Die Führungsebene ist ihnen zu eingleisig und stressig. Sie erwarten offenbar mehr Qualität von ihrem Berufsleben.

In Weischenbergs aktueller Studie geben die befragten Journalisten an, dass der Einfluss aus Politik und Wirtschaft eher abgenommen habe. Zu welchen Ergebnissen kommen Sie?

PR wird einen wachsenden Einfluss haben und die Verwertung von PR-Material wird zunehmen. Der richtige Umgang mit PR wird zu einer großen Herausforderung für den Journalismus. Das Handwerk muss deshalb sitzen. Das Internet kann ein brauchbares Werkzeug für eine schnelle Überprüfungsrecherche von PR sein, sofern man damit professionell umzugehen versteht.

Gibt es auch in Zukunft klassischen Journalismus?

Ja, selbstverständlich. Wir glauben, dass es sogar einen wachsenden Bedarf für guten Journalismus in den seriösen Tageszeitungen gibt. Die Leute wollen interessante Geschichten lesen. Ob die kurz oder lang sind, hängt vom Thema, den Informationen und der Qualität ab.