Berlin bleibt Zentralstation

Die Bahnzentrale gehört in die Hauptstadt, findet das Bundeskabinett. Wowereit begrüßt „klares Bekenntnis zum Standort Berlin“. Doch die Weisung ist nur ein symbolischer Sieg. Auf lange Sicht könnten der Stadt Jobs verloren gehen

Mit Erleichterung hat der Senat die Entscheidung des Bundeskabinetts aufgenommen, die Konzernzentrale der Deutschen Bahn in Berlin zu belassen – vorneweg der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Er begrüßte das „klare Bekenntnis zum Standort Berlin“, so ein Senatssprecher. Es sei eine wichtige strukturpolitische Entscheidung für Ostdeutschland.

Ist nach dem hitzigen Streit der vergangenen Tage alles in Butter? Fast schien es gestern so. Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) lobte die Regierungsweisung, die Zentrale gehöre aus strukturpolitischen Gründen nach Berlin. „Die Bedeutung der Bahn für Ostdeutschland ist groß.“ Zudem habe das Kabinett klar gemacht, „wer Entscheidungen von solcher Tragweite trifft – nämlich der Eigentümer“.

Dennoch blieben die Bewertungen vorsichtig, denn Berlin hat nur das Ringen um die symbolträchtige Konzernzentrale gewonnen. Gleichzeitig schwant es der Wirtschaftsverwaltung, dass der Stadt – trotz Atempause – auf Dauer Bahnjobs verloren gehen können. Der Grund sind Bestrebungen der Bahn, sich langfristig als Logistikkonzern zu positionieren, der den Personenverkehr nebenbei erledigt.

Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) verkündete denn auch in einer eilig einberufenen Pressekonferenz: Verhandelt werde weiter – „mit Nachdruck“. Bahnchef Hartmut Mehdorn beteuerte, mit dem Vorhaben „die Position der Bahn als führenden Logistikdienstleister auszubauen“. Er will sich zum Beispiel in die Hamburger Hafen- und Logistik AG einkaufen.

Kommen beide Seiten hier wie geplant bis zum Frühjahr 2006 überein, stehen wieder Arbeitsplätze in Berlin zur Disposition – im Segment Fracht und Logistik. Denn das betreut die Berliner Bahntochter Stinnes, auch das Logistikunternehmen Schenker und die im Güterverkehr tätige Tochter Railion unterhalten hier Niederlassungen.

Oliver Kaufhold von der Gewerkschaft Transnet hält es für durchaus denkbar, dass in Zukunft Bahnmitarbeiter an die Alster umziehen müssen. „Eine unternehmerisches Engagement der Bahn in diesem Bereich ist in Hamburg ja sinnvoll“, sagt der Sprecher. Ein Umzug beträfe 200 Leute, die in leitenden Positionen arbeiten. „Für die übergroße Mehrheit der Bahnbeschäftigten bliebe aber alles, wie es ist.“ Keine Panik, lautet die Botschaft der Gewerkschaft. Schließlich arbeiten 19.000 Menschen in Berlin bei der Bahn, davon 1.900 in der Zentrale.

Eines dürfte durch den Streit jedenfalls gelitten haben: das Verhältnis von Wowereit und Mehdorn, das spätestens seit der Debatte um das Abhängen des Bahnhofs Zoo vom Fernverkehr äußerst angespannt ist. Anstatt den Bahnchef anzurufen, hat der Landeschef sofort die höchste Chefin eingeschaltet, nämlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). ULRICH SCHULTE

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