Kölner Müllskandal wieder vor Gericht

Bundesgerichtshof Leipzig befindet, ob Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe für Müllanlage bereits verjährt waren

KÖLN taz ■ Der Skandal um den Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) hatte auch bundespolitisch für Aufsehen gesorgt. Die in Köln wegen Untreue und Bestechlichkeit Verurteilten wollen eine Aufhebung der Urteile, zumindest aber eine Milderung ihrer Strafen erreichen, da sie einen Teil der Vorwürfe für verjährt halten.

Rund 11 Millionen Euro an Schmiergeldern soll der Gummersbacher Anlagenbauer Steinmüller in den 90er-Jahren gezahlt haben, um sich den Auftrag zum Bau der Verbrennungsanlage zu sichern. Das Geld verteilte der Steinmüller-Manager Sigfrid Michelfelder, seinerzeit einer der Top-Manager der Republik und Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.

Hauptnutznießer war Ulrich Eisermann, Geschäftsführer der für die Auftragsvergabe verantwortlichen Kölner Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (AVG). Weiter beteiligt an dem Schmiergeldkartell: der Viersener „Müll-König“ Hellmut Trienekens und der frühere Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Wienand.

Im Mai 2004 verurteilte das Landgericht Köln Eisermann wegen Untreue, Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Gesamthaftstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Michelfelder erhielt wegen Beihilfe zur Untreue und Bestechung eine zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von 44.500 Euro. Der mitangeklagte Kölner Ex-SPD-Ratsfraktionschef Norbert Rüther, den sein einstiger Parteifreund Eisermann beschuldigt hatte, auch mit einer Million Euro bedacht worden zu sein, wurde hingegen aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

In einem aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit abgetrennten Verfahren wurde Wienand im Dezember 2004 wegen Beihilfe zur Untreue zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Der heute 78-Jährige hatte die Kontakte zwischen den Beteiligten hergestellt und musste vor Gericht einräumen, selbst eine Million Euro Schwarzgeld kassiert zu haben. Trienekens erhielt wegen Steuerhinterziehung ebenfalls eine zweijährige Bewährungsstrafe und muss zudem noch zehn Millionen Euro Geldbuße zahlen. Ein weiteres Verfahren wegen Beihilfe zur Untreue wurde gegen Zahlung von fünf Millionen Euro Geldauflage eingestellt.

In der heute beginnenden Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof geht es nun um die Überprüfung der Urteile gegen Wienand, Eisermann, Michelfelder und Rüther. In die Revision sind sowohl die drei Verurteilten als auch die Staatsanwaltschaft gegangen. Wienand, Eisermann und Michelfelder halten ihre Taten für verjährt. Der Anklagebehörde hingegen geht es um die Aufhebung des Freispruchs für Rüther und um höhere Strafen für Eisermann und Michelfelder. Nach ihrer Ansicht hätte Eisermann von den Kölner Richtern als Amtsträger gewertet werden müssen, da die AVG zwar privatrechtlich organisiert war, jedoch zu fast 75 Prozent der Stadt gehörte. Die Bestechung eines Amtsträgers wird härter bestraft als Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. PASCAL BEUCKER