Das Verschwörungsrätsel: Was stimmt hier nicht?
: WASG lobt Liebichs Weitblick

Wie Ex-PDSler eine Unterwanderung durch die Ex-PDS entlarven und verhindern

Es ist nicht ungewöhnlich, dass es bei Paarungsakten zu brutalen Manövern kommt. Die Schwarze Witwe zum Beispiel pflegt eine sehr rigorose Idee der körperlichen Vereinigung und frisst ihr Männchen nach dem Sex. Auch die Beziehung zwischen PDS und WASG ist eine der schwierigeren, was daran liegt, dass Ex-PDSler maßgeblich die Gründung der WASG betrieben haben, jetzt aber als WASGler (und Ex-PDSler) zusammen mit der Linkspartei (namentlich Ex-, inhaltlich Noch-PDS) Politik machen sollen.

Wenn etwas so kompliziert ist, scheint ein ordentliches Maß an Misstrauen in der Beziehungsarbeit nur menschlich. Dazu passt, zu glauben, die Linkspartei benehme sich tierisch, in diesem Fall wie die Schwarze Witwe. „Feindliche Übernahme“, „Unterwanderung“, „undemokratisches Abenteuer“ sind nur einige der Vorwürfe, die die WASG gestern in Richtung der Partnerin abschoss. Was ist da los?

Die sozialistische Verschwörung begann mit Bemerkungen des Linkspartei-Fraktionschefs Stefan Liebich und des designierten Landeschefs Klaus Lederer. Sie erwähnten am Mittwoch, dass Linkspartei-Mitglieder erwägen, in die WASG einzutreten, also eine Doppelmitgliedschaft wollen. WASG-Landesvorstand (und Ex-PDSler) Rouzbeh Taheri nennt das eine „nett formulierte Drohung“. Selbst der – der Sektiererei unverdächtige, da kreuzbrave – Tagesspiegel titelte „PDS will WASG unterwandern“ und hatte schon bei Nacht und Nebel aus Marzahn aufbrechende Altkader vor Augen.

Ganz abwegig ist die Idee ja nicht. Ein paar Maulwürfe könnten schnell wichtige Schlüsselpositionen in der WASG besetzen, weil sie alle paar Wochen ihren alten Vorstand bloßstellt, abwählt und durch einen anderen ersetzt. Und plötzlich würde die WASG Pressemitteilungen herumschicken, in denen das Wort neoliberal nicht mehr auftaucht, und über denen steht: „WASG-Vorstand lobt Liebichs Weitblick“ oder „WASG: Liebich hat Recht, stellt sein Licht aber zur sehr unter den Scheffel!“ Liebich selbst betritt auf WASG-Landesparteitagen als Gastredner unter warmem Applaus die Bühne, schmunzelt beim „Liebe Genossinnen und Genossen …“ unmerklich und freut sich ansonsten auf den tollen Gurkensalat, den ebenjene in feiner Selbstironie aufs Buffett gestellt haben.

Der journalistischen Sorgfalt halber sei jetzt aber klargestellt: Klappt nicht. Die historische Chance, durch Unterwanderung eine einige Linke zu schmieden, wird verstreichen. Zum einen scheitert der Plan an Formalien: Denn die Satzung der WASG erlaubt nur bis Ende des Jahres Doppelmitgliedschaften, erst im März wird der Parteitag wohl die Verlängerung beschließen. Aber schon Ende Februar entscheidet die WASG-Urabstimmung über ein gemeinsames Antreten zur Abgeordnetenhauswahl. Ein Zeitfenster von knapp vier Wochen reicht nicht für eine Übernahme. Schlussfolgerung Nummer eins: Wer ein Verschwörer sein will, muss die Satzung lesen.

Noch hinderlicher ist, dass es den Beteiligten an Engagement mangelt. „Gerüchte über Masseneintritte sind Blödsinn“, sagt Lederer. Es gebe allenfalls „Signale“ einzelner Parteimitglieder, die den Schritt überlegten. Schlussfolgerung Nummer zwei: Wer sich verschwören will, muss selbst mitmachen. Lederer: „Ich denke nicht über eine WASG-Mitgliedschaft nach.“ ULRICH SCHULTE