„Die Ölpreise werden explodieren“

Ölhändler Wiesmann rät allen Verbrauchern, sich sofort mit Heizöl einzudecken. Denn die Ölpreise werden kontinuierlich steigen. Schlechte Nachrichten auch für Autofahrer: Im August 2006 dürfte ein Liter Benzin mindestens 1,60 Euro kosten

INTERVIEW ULRIKE HERRMANN

taz: Herr Wiesmann, im August kostete Rohöl knapp 70 Dollar pro Barrel – damals haben Sie prognostiziert, dass der Preis im November auf 55 Dollar fällt. Das ist vergangene Woche passiert. Wie geht es weiter?

Otto Wiesmann: Die Ölpreise werden explodieren!

So plötzlich?

Bis Januar wird der Preis wieder auf 60 bis 65 Dollar steigen, vielleicht auch auf 70 Dollar.

Was raten Sie Verbrauchern?

Sie sollten nicht spekulieren. Wer noch Heizöl braucht, sollte sich sofort eindecken. Jetzt liegt der Literpreis bei 53 Cent, aber er kann schnell auf 70 Cent steigen.

Wieso sind Sie sich so sicher?

Es wird aber ein bisschen kompliziert für Laien.

Versuchen Sie es.

Also gut. Die meisten Spekulanten haben auf „Short“ gesetzt – also auf fallende Kurse. Wenn in den nächsten zwei Monaten abgerechnet wird, dann müssen die Spekulanten Öl zu diesen niedrigen Kursen liefern. Jetzt steigen die Ölpreise aber. Am Freitag lag der Kurs bei 59 Dollar. Also haben die Spekulanten Angst, die Ölpreise könnten weiter anziehen – dann würden sie riesige Verluste machen. Also sichern sie sich jetzt durch weitere Termingeschäfte ab, in denen sie auf „Long“ setzen und auf höhere Kurse spekulieren. Dieses Herdenverhalten führt automatisch zu Kurszyklen.

Ist das nicht vorherzusehen?

Doch. Letztes Jahr lief der Zyklus genauso. Damals war der Tiefpunkt beim Ölpreis am 6. Dezember erreicht – allerdings bei knapp 40 Dollar und nicht wie jetzt bei 55 Dollar. Auch wenn die Kurse schwanken: Langfristig steigen die Ölpreise.

Wieso sehen sich nicht alle Spekulanten die Zyklen vom vergangenen Jahr an?

Weil viele Amateure auf dem Ölmarkt aktiv sind. Dazu gehören auch Banken. Ohne sie könnte man kaum Gewinne machen.

Was haben die „Amateure“ diesmal falsch gemacht?

Sie vertrauten darauf, dass die Hurrikan-Saison vorbei ist und die Ölförderung im Golf von Mexiko wieder steigt.

Das stimmt doch?

Aber die Nachfrage hat auch zugelegt, vor allem in Indien und China. Die Opec fördert täglich fünf Millionen Barrel mehr Öl als vor zwei Jahren – trotzdem sind die Höchstpreise von 35 auf 70 Dollar pro Barrel gestiegen.

Wo sind die Preise 2006?

Nach dem Hoch im Januar werden die Preise kontinuierlich weiter anziehen. Im nächsten August dürften sie bei 89 Dollar liegen. An der Zapfsäule kostet Benzin dann 1,60 bis 1,70 Euro.

Warum so pessimistisch?

Die Ölförderung geht weltweit zurück. Allein in Großbritannien wurde in diesem Jahr 25 Prozent weniger Öl und Gas gefördert. Das muss man sich mal vorstellen: Das Ölland Großbritannien hat im August Öl eingeführt!