Teufelskreis aus Armut und Krankheit

Nur jeder fünfte Mensch in der Welt ist gegen elementare Lebensrisiken wie Krankheit abgesichert. Doch ohne eine solche Absicherung ist der Aufstieg aus der Armut kaum zu schaffen. Eine Konferenz in Berlin berät Auswege für Entwicklungsländer

VON TARIK AHMIA

Gesundheit bleibt in vielen Ländern ein teures Gut. Medizinische Versorgung wird gerade in Entwicklungsländern zum Privileg einer reichen Oberschicht. In Kenia etwa sind gerade einmal 7 Prozent der Bevölkerung vor den Kosten einer Krankheit durch eine Versicherung geschützt. In Senegal liegt der Anteil der Krankenversicherten knapp unter 5 Prozent. Unversicherte Kranke müssen in vielen Entwicklungsländern für ihre medizinische Versorgung selber bezahlen. Doch das können die wenigsten. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO müssen jährlich 150 Millionen Menschen die Hälfte ihres Einkommens für medizinische Hilfe ausgeben. Für die betroffenen Familien bedeutet das eine finanzielle Katastrophe.

Weltweit haben etwa 1,3 Milliarden Menschen keinen Zugang zu grundlegender medizinischen Versorgung. Eine neue Initiative für Krankenversicherungen in Entwicklungsländern wurde gestern in Berlin gestartet. Dort beraten Gesundheitsexperten aus 40 Ländern bis Mittwoch über Wege zu bezahlbaren Gesundheitsleistungen für Arme. Veranstaltet wird die internationale Konferenz von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), der WHO und der internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Im Zentrum der Beratungen steht das Konzept der sozialen Krankenversicherung als Basis für eine preiswerte und universelle Gesundheitsvorsorge.

„Die soziale Krankenversicherung ist ein entscheidender Mechanismus, um den Zugang zu Gesundheitsdiensten zu ermöglichen. Wir versuchen deshalb Standards für eine soziale Krankenversicherung zu entwickeln und Regierungen bei der Einführung beratend zu unterstützen“, sagt Rüdiger Krech, der bei der GTZ zuständig für soziale Sicherung ist. „Es wäre aber naiv zu glauben, mit der Krankenversicherung allein wäre es getan. Denn sie ist ein Element des komplexen Themas ‚soziale Sicherung‘“.

Im Gegensatz zur privaten Krankenversicherung zeichnet sich die solidarische Krankenversicherung durch drei Prinzipien aus: Reiche zahlen mehr als Arme, sie ist für alle Menschen offen und Männer und Frauen werden gleich behandelt. Das in Berlin beratene Konzept sieht vor, dass es je nach Bedarf durch eine Mischung von Steuergeldern und Beitragszahlungen finanziert wird.

„Wir müssen jetzt damit anfangen, die Einführung solidarischer Krankenversicherungen in vielen Ländern voranzutreiben, wenn wir die Millenniumsziele der Vereinten Nationen erreichen wollen“, sagt Timothy Evans von der WHO. Die Millenniumsziele sehen vor, dass die weltweite Armut bis zum Jahr 2015 halbiert werden soll.

Vor riesigen Problemen bei der Einführung einer universellen Gesundheitsversorgung sehen sich vor allem die ärmsten Länder. Gerade dort müssen die Menschen den größten Teil der medizinischen Kosten aus eigener Tasche bezahlen. Während beispielsweise im reichen Deutschland Kranke etwa 11 Prozent der medizinischen Kosten selbst aufbringen müssen, sind es in China und Indien um die 80 Prozent und in Kambodscha und Kamerun über 90 Prozent. „Ohne Hilfe der reichen Staaten werden diese Länder keine solidarische Krankenversicherung einführen können“, sagt Krech.

Die ILO hat ausgerechnet, dass eine elementare Krankenversicherung pro Person etwa 34 US-Dollar im Jahr kosten würde. Das entspricht immerhin einem Viertel des durchschnittlichen Jahreseinkommens im Kongo. „Geberländer müssen die Finanzierungslücken der Krankenversicherung in Entwicklungsländern schließen“, sagt Evans. Dann könnte eine Krankenversicherung für alle ein Ausweg aus dem Teufelskreis aus Armut, wirtschaftlicher Entwicklung und Krankheit werden.