Irrtum der CIA: Die Verschleppung von Khaled al-Masri

2003 verschwand ein Deutscher fünf Monate, weil er für einen Terroristen gehalten wurde. Für die Täter blieb die Entführung bisher folgenlos

BERLIN taz ■ Khaled al-Masri ist erleichtert am Silvestertag 2003. Sein schlecht laufendes Autogeschäft in Neu-Ulm, der Ärger mit seiner Frau – er hat alles hinter sich gelassen und sitzt im Reisebus nach Mazedonien. Doch am serbisch-mazedonischen Grenzübergang Tabanovce holen ihn Polizisten aus dem Bus. Es ist der Moment, in dem der Deutsche verschwindet und von dem an weder seine Frau noch seine Freunde wissen, wo er ist. Fünf Monate lang.

Erst am 29. Mai 2004 ist er wieder aufgetaucht, in Nordalbanien, nahe der mazedonischen Grenze. Ein albanischer Beamter hat das Datum in seinen Pass gestempelt. Über die Zeit dazwischen hat Masri der Münchner Staatsanwaltschaft berichtet: Er sei verhört, bedroht, verschleppt und in einem Gefängnis in Kabul gefangen gehalten worden. Männer in Zivil, teils maskiert, verlangten, er solle seine Verbindungen zu al-Qaida zugeben. Er lebte in einer kalten Zelle und trank trübes Wasser, das Brechreiz auslöste. „Ich habe denen gesagt: Ich gebe alles zu, was ihr wollt“, erzählte Masri Anfang 2005 der taz. Seine Schilderung sprach dafür, dass er zu jenen Terrorverdächtigen gehörte, die die CIA in ihre Flugzeuge gesteckt und an geheimen Orten verhört hat.

Die deutschen Ermittler haben ihm geglaubt, weil er detailreich berichtete. Wie ihm vor dem Start des Flugzeuges in Mazedonien, eine Droge injiziert wurde. Wie die anderen Gefangen ihm zuflüsterten, er sei in Kabul. Wie er in Hungerstreik trat. Der Busfahrer hat bestätigt, dass sein Passagier in Tabanovce aussteigen musste. Und der Münchner Staatsanwalt hat sogar eine Haarprobe von Masri untersuchen lassen. Es kam raus, dass er in der fraglichen Zeit tatsächlich unterernährt war. Die Staatsanwaltschaft schickte Rechtshilfeersuchen an die Behörden in den USA, Mazedonien und Albanien. Erfolglos.

Vielleicht hätten die Münchner Ermittler sich an eine deutsche Behörde wenden sollen: ans Bundesinnenministerium. Denn der damalige Minister Otto Schily, so meldet nun die Washington Post, sei von Daniel Coats, US-Botschafter in Deutschland, schon im Mai 2004 unterrichtet worden. Die CIA hatte demnach erkannt, dass Masri nichts mit al-Qaida oder anderen Terroristen zu tun hatte. Der Pass des aus dem Libanon stammenden deutschen Staatsbürgers war echt. Die Agenten hatten sich geirrt.

Einige in der CIA sollen dafür plädiert haben, den Mann wieder in Mazedonien auszusetzen und zu schweigen. Andere wollten laut Washington Post die deutschen Behörden informieren. Irgendwann sei Condoleezza Rice eingeschaltet worden, damals Bushs Nationale Sicherheitsberaterin und heute Außenministerin. Sie habe darauf bestanden, die Deutschen ins Bild zu setzen.

„Manchmal passieren Fehler“, hat der Nationale Sicherheitsberater der US-Regierung, Stephen Hadley, kürzlich zu der Praxis der Verschleppungen gesagt. Otto Schily schwieg gestern. Ob die Staatsanwaltschaft versuchen wird, ihn zu befragen, ist offen. „Im Moment werden wir dazu keine Äußerung machen“, sagte Oberstaatsanwalt August Stern der taz. „Wir werden uns das in den nächsten Tagen genau angucken.“

Masris Anwalt Manfred Gnjidic ist verreist. Die Washington Post berichtet, er wolle diese Woche vor einem US-Gericht Klage einreichen. Wegen der fünf Monate, die Khaled al-Masri aus seinem Leben gerissen wurde. GEORG LÖWISCH