Kameras im Rotlichtbezirk

Im März soll mit der Videoüberwachung der Reeperbahn begonnen werden. Die GAL-Fraktion fordert nun strenge Regeln für die weitreichende Maßnahme. Deren präventive Auswirkungen sind ohnehin strittig

von Maik Dähling

Der hochgeschlagene Mantelkragen und ein tief ins Gesicht gezogener Hut könnten sich in St. Pauli bald nicht mehr nur in der Nähe von Sexshops vermehrter Beliebtheit erfreuen. Im Zuge des neuen Polizeigesetzes, das die Videoüberwachung im öffentlichen Raum erlaubt, wird die Innenbehörde im März 2006 mit der permanenten Videoüberwachung der Reeperbahn beginnen: Zwölf Kameras mit Zoomfunktion sollen dann Livebilder von der „sündigen Meile“ ins Polizeipräsidium und die Davidwache übertragen. Eine Ausweitung auf die Kriminalitätsschwerpunkte Hansaplatz und S-Bahnhof Bergedorf ist geplant.

Die innenpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, Antje Möller, sieht darin ein „Überwachungsszenario unbekannten Ausmaßes“. Einen derart großen Einschnitt in die Freiheitsrechte hält sie nur dann für zulässig, wenn andere Methoden mit weniger Aufwand nicht zum Erfolg führten. Genau diesen Punkt vor der Installation der Kameras zu überprüfen, verlangt die GAL nun in einem Bürgerschaftsantrag. Darin werden überdies weitere verbindliche Standards für die Videoüberwachung öffentlichen Raums formuliert.

Gefordert wird ein unabhängiger Beirat unter Mitwirkung des Datenschutzbeauftragten, wie auch die Begrenzung der Bildspeicherung auf 24 Stunden. So nämlich handhabt der HVV seine Aufnahmen, die von der Reeperbahn sollen dagegen einen Monat lang aufbewahrt werden. Reinhard Fallak, Sprecher der Innenbehörde, begründet das auf taz-Nachfrage pragmatisch: „Weil es das Gesetz erlaubt.“ Primäres Ziel der Maßnahme sei ohnehin nicht die Strafverfolgung, sondern die Prävention. Die Innenbehörde hatte als Begründung für die Kameras vor allem die große Gefahr eskalierender Konflikte aufgrund von Alkohol- oder Drogenkonsum genannt.

Dass die erhoffte Präventionswirkung dadurch erreicht wird, ist allerdings durch nichts belegt, wie Nils Zurawski, Projektleiter Videoüberwachung am Kriminologischen Institut der Uni Hamburg, gestern mitteilte. In einem Bielefelder Modellprojekt hatten vor einigen Jahren die Straftaten nach der Installation einer Videoüberwachung sogar noch zugenommen.

Aussicht auf eine Mehrheit in der Bürgerschaft hat der GAL-Antrag indes nicht: Sowohl CDU als auch SPD distanzierten sich gestern von den Vorschlägen. Für die CDU, erklärte deren innenpolitischer Sprecher Christoph Ahlhaus, gehe „die Sicherheit unserer Stadt vor Datenschutz“. Wenn mit der Überwachung nur eine Straftat verhindert würde, „erfüllt sie ihren Zweck“, so Ahlhaus.

Inwieweit die Strafverfolgung aufgrund von Daten aus der Videoüberwachung rechtens ist, ist ebenfalls noch nicht geklärt. Innensenator Roger Kusch hatte vor wenigen Wochen noch eine Bundesratsinitiative geplant, um die Videoüberwachung in die Strafprozessordnung aufzunehmen, verstummte aber nach Angriffen aus der Innenbehörde wieder (siehe Kasten).