So verpulvert Schwarz-Gelb „unser“ Geld

Teile des Landes haben nicht mal ständig Strom, doch NRW leistet sich Extrawürste. Derzeit berät das Kabinett über Etat-Kürzungen – aber für Elitekultur, Pferde, Beamte oder Fußball ist Geld da. Die taz-Liste zeigt: 700 Millionen sind einsparbar

Bonn/Petersberg – Zum Kürzen geht das Land in Klausur. Noch bis zum Abend berät die schwarz-gelbe Koalition bei Bonn über den Haushalt 2006. „Jeder wird es merken“, sagte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Die Landesregierung will sämtliche Förderprogramme und Transferzahlungen auf den Prüfstand stellen.

Die Vorgaben sind hoch: Auf Druck von CDU und FDP muss Finanzminister Helmut Linssen bei der Nettokreditaufnahme im Jahr 2006 unter sechs Milliarden Euro bleiben. In diesem Jahr macht das Land 7,4 Milliarden Euro neue Schulden – ein Negativ-Rekord. Von 2006 an soll nun bei den Fördertöpfen gespart und Personal abgebaut werden. Vor allem rot-grünen Projekten drohen Kürzungen.

In Bild sagte FDP-Fraktionschef Gerhard Papke: „Unglaublich, wie viel Geld für baren Unsinn ausgegeben wird“. Er fordert: Weg mit Umwelt-Schulungen (250.000 Euro Ersparnis). Weg mit ökologischen Modellprojekten (400.000 Euro). Weg mit den Eine-Welt-Promotoren (1,16 Millionen Euro). Weg mit Eine Welt Politik in Kommunen (1,8 Millionen Euro) – Papke: „Viele Städte [...] bezuschussen Folklore-Bands, die in Fußgängerzonen ‚El Condor Pasa‘ flöten.“

Die FDP-Liste hat ein Sparvolumen von 3,61 Millionen Euro – bei 110 Milliarden Gesamtverschuldung ist das nur Kleckerkram. Die taz dokumentiert Beispiele, wie NRW wirklich sparen könnte. Sparsumme:

700 Millionen Euro!!!

Beispiel 1: Polizeipferde

2003 hatte die rot-grüne Koalition die Reiterstaffeln der Polizei abgeschafft. Durch den Verzicht würden zwei Millionen Euro eingespart, sagte Ex-Innenminister Fritz Behrens (SPD). Die Reiter sollten zu Fuß und im Auto auf Streife gehen, die Pferde wurden verkauft. Nach dem Machtwechsel kündigte Schwarz-Gelb an, die Gäule wieder einzuführen. „Ein Polizeireiter ersetzt im Einsatz 15 Beamte zu Fuß“, sagt FDP-Innenpolitiker Horst Engel. Gerade bei der Fußball-WM 2006 seien sie unverzichtbar. Nun gibt das Land wieder Geld für Pferde aus. Rund eine Million Euro koste die Wiedereinführung das Land im Haushalt 2006, rechnen Oppositionspolitiker vor. „Diese Kapriole ist angesichts der Haushaltslage völlig daneben“, sagt die Grünen-Politikerin Monika Düker. Polizeitaktisch seien die Pferde nicht notwendig. Bis zur WM seien die neuen Pferde ohnehin nicht fertig ausgebildet.

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Beispiel 2: Beamte

Die Staatsdiener gehören zur CDU-Stammklientel, im Beamtenbund sind sie gut organisiert. Die größte Gruppe unter den Beamten in NRW stellen die Lehrer mit rund 100.000 Vollzeitbeschäftigten. Bei der Polizei gibt es rund 40.000 Beamte. Doch beide Gruppen genießen bei Schwarz-Gelb Bestandsschutz. Die Sparziele von CDU und FDP sind aber wohl nicht erreichbar, wenn diese Großgruppen verschont werden. Die Sparvorhaben der Regierung seien kaum nachvollziehbar, wenn angeblich keine Lehrerstellen gekürzt werden sollten, sagt der Dresdner Finanzwissenschaftler Helmut Seitz: „Ohne den Schulsektor geht es nicht.“

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Beispiel 3: RuhrTriennale

Elitekultur ist ganz schön teuer: Von 2005 bis 2007 kostet die RuhrTriennale das Land rund 27 Millionen Euro. Für die freie Szene und regionale Projekte bleibt wenig übrig. „In die Triennale ist sehr viel Geld geflossen, während in den Regionen gekürzt wurde“, sagt Susanne Ladwein vom Kulturbüro der Regio Aachen und Guido Froese vom Kulturbüro Münster. Von der Triennale profitieren zudem nur wenige: „Außerhalb des Ruhrgebiets ist das Programm kaum präsent“. Auch hätten die Events wenig Bezug zu NRW. „Das Programm könnte auch in der Sahara statt finden“, so Ladwein. Für Basiskultur ist da kein Platz mehr: Das freie Theater- und Kulturhaus Thealozzi wurde von der RuhrTriennale aus der Bochumer Jahrhunderthalle vertrieben. Früher konnte es die Halle im Sommer umsonst nutzen. „Heute ist die Miete einfach zu hoch“, sagt Theatermacher Axel Walter. Die Atmosphäre der Halle sei ohnehin zerstört. „Die Architekten haben einen Prachttempel daraus gemacht“.

GES

Beispiel 4: WM 2006

„In NRW schlägt das Fußball- Herz Deutschlands“, mimt Ministerpräsident Rüttgers den Kaiser Franz. Damit es zu keinen Rhythmusstörungen kommt, zahlt das Land kräftig drauf. Das Neueste: 38 Stautafeln sollen den schnellsten Weg zum Stadion zeigen. Bis Mai werden die Autobahnen des Landes damit bestückt, Kostenpunkt: 13 Millionen Euro. Ex-Verkehrsminister Axel Horstmann (SPD) rechnete im vergangenen Jahr vor: 558 Millionen Euro kosten landesweite Fernstraßen. Allein 100 Millionen flossen in die A1 bei Köln, auf der A2 bei Gelsenkirchen wird demnächst sechsspurig gefahren, die A42 am selben Ort bekommt eine neue Ausfahrt. Viel Platz für Staus. Dazu 132,9 Millionen Euro für den ÖPNV. Warum eigentlich, gibt doch die tollen Tafeln. Wie viel Land und wie viel der Bund beim Verkehr stemmen, verriet Horstmann nicht. Er wusste wohl warum. Immerhin: Den WM-Botschafter Reiner Calmund gibt‘s umsonst – er macht das ehrenamtlich.

HOP