Wieder mal Windmühlen

Keith Fulton und Louis Pepe dokumentieren mit „Lost in La Mancha“, wie Terry Gilliam einmal Don Quichotte verfilmen wollte – und dabei katastrophal scheiterte

Die Idee ist ganz und gar Terry Gilliam: Ein Werbemanager wird auf eine Zeitreise ins Spanien des späten 16. Jahrhunderts geschickt. Dort machen Häscher der Inquisition auf den Fremdling Jagd, außerdem muss er sich mit Don Quichotte herumschlagen, der ihn für seinen verlorenen Knappen Sancho Pansa hält. Wenn man sich dazu Johnny Depp in der Rolle des neurotischen Werbers vorstellt und Jean Rochefort als den Ritter von der traurigen Gestalt, dann wird klar, was für ein Blockbuster das von Gilliam bereits 2000 geplante Fantasy-Spektakel „The Man Who Killed Don Quixote“ hätte werden können.

Hätte, könnte, nichts dergleichen. Nur Scheitern. Die Dreharbeiten waren eine Katastrophe, das 32 Millionen teure Projekt wurde nie fertig. Was alles schief lief, erfährt man in der Dokumentation „Lost in La Mancha“ von Keith Fulton und Louis Pepe. Die beiden Filmemacher wollten Gilliam ursprünglich bei der Produktion nach Art eines „Making of“ begleiten. Bekanntermaßen lebt das frühere Mastermind von Monty Python am Set auf, lässt seine Schauspieler ausgiebig improvisieren – da wäre einiges zu holen gewesen.

Und das zeigt „Lost in La Mancha“ ja auch: Wie Rochefort zur ersten Textprobe mit schwerem französischem Akzent seine Sätze vorträgt, wie Depp plötzlich im Tonfall von Robert de Niro flucht, als wäre er nicht Pansa, sondern Scorseses „Taxi Driver“. Immer wieder albern schwabbelbäuchige spanische Bauernjungs vor der Kamera herum, die Gilliam als Riesen gecastet hat. Zwischendurch sieht man Vanessa Paradis beim Kostümtest als delikate Marquesa und staunt über die Schnelligkeit, mit der die Bühnenbildner nebenher eine Marionetten-Armee bauen. Alles weckt die Vorfreude auf ein barockes Psychedelic-Märchen.

Doch das Desaster setzt schleichend ein. Die karge Felslandschaft, die als ideales Szenario schon Monate im Voraus gewählt wurde, liegt nahe einem militärischen Sperrgebiet. Gleich am ersten Morgen machen spanische F-16-Fighter mit ohrenbetäubendem Fluglärm jede Aufnahme unmöglich. Am zweiten Tag regnet es sintflutartig, Requisiten und Equipment werden weggeschwemmt. Kurz darauf erkrankt Rochefort – eine Entzündung im Unterleib, auf Rat der Ärzte soll er nicht wieder reiten. Was aber wäre Don Quichotte ohne sein Pferd Rosinante?

Gilliam trägt dieses haufenweise Missgeschick mit Fassung. Nur das Lachen wird allmählich hysterisch, und sein Unterkiefer scheint mit jeder Schreckensmeldung etwas kräftiger zu mahlen. Der Drehplan ist bereits nach der ersten Woche geplatzt, nach der zweiten Woche werden die Investoren nervös; und als Rochefort absagt, ist Gilliams Vision nur mehr ein Streitfall für die Versicherungen. Da die Filmrechte der Produktionsfirma gehören, bleiben dem Regisseur am Ende lediglich seine wunderbaren, im Stil von Gustav Doré gezeichneten Storyboards. Kein Wunder, dass Gilliam danach für „Brothers Grimm“ im Studio und am Computer gearbeitet hat. Dagegen ist Fulton und Pepe eine erstaunliche Dokumentation geglückt: Schließlich kommt ein „Unmaking of“ sonst eher selten in die Kinos.

HARALD FRICKE

„Lost in La Mancha“ läuft ab heute im Central und im Eiszeit