Ein Albtraum für die Regierung

Bosbach: „Ich hoffe nicht, dass es stimmt; aber ich fürchte, dass es stimmen könnte“ Joschka Fischer war persönlich seit dem Juni 2004 über den Fall informiert

VON WOLFGANG GAST

Der Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat einen bösen Verdacht. Öffentlich erklärt Wolfgang Bosbach, er halte es für möglich, dass deutsche Sicherheitsbehörden im Fall des verschleppten Khaled al-Masri mit dem US-Geheimdienst CIA zusammengearbeitet haben: „Ich hoffe nicht, dass es stimmt; aber ich fürchte, dass es stimmen könnte.“ Und wenn die Befürchtung am Ende zutrifft? „Ein Albtraum,“ sagt der 53-jährige Jurist.

 Bosbachs Albtraum stützt sich auf eine Bericht in der gestrigen Ausgabe der Berliner Zeitung. Danach haben deutsche Sicherheitsbehörden den USA möglicherweise die Hinweise geliefert, die dann die Entführung des Deutschlibanesen Khaled al-Masri durch den Geheimdienst am 31. Dezember 2003 zur Folge hatten. Demnach sagte ein Sicherheitsbeamter: „Möglicherweise haben wir durch Informationen, die wir mit den US-Behörden ausgetauscht haben, die CIA auf al-Masri aufmerksam gemacht.“ Auffällig sei, dass die Amerikaner bei Verhören in Afghanistan al-Masri auch nach Erkenntnissen befragten, „die sie von uns bekommen haben“.

 Trifft dies zu, dann ist die bisher vermutete Begründung für die Entführung des in Neu-Ulm lebenden 42-Jährigen falsch. Bisher hatte es geheißen, al-Masri sei auf Grund einer Namensverwechslung von der CIA in Mazedonien entführt und nach Afghanistan verschleppt worden – die US-Behörden hätten seinerzeit weltweit nach einem gleichnamigen Mitglied des Terrornetzwerkes al-Qaida gefahndet. Offenbar zeigen die detaillierten Fragen in den Verhören nach der Islamistenszene in Neu-Ulm, dass die US-Vernehmer wussten, wen sie vor sich hatten.

 Nach seinen eigenen Angaben wurde al-Masri nach seiner Entführung fünf Monate lang in einem afghanischen Gefängnis festgehalten und misshandelt, bevor er Ende Mai 2004 freikam. Al-Masri hat zusammen mit der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU in den Vereinigten Staaten Zivilklage gegen die CIA erhoben. Auch die Staatsanwaltschaft in München dementiert Kontakte al-Masris zur Islamistenszene: „Wir haben ihn auch im Rahmen unsere Neu-Ulmer Ermittlungen zu keiner Zeit als Beschuldigten geführt“, erklärte gestern Oberstaatsanwalt August Stern, „es liegen keine Hinweise vor, dass er strafrechtlich relevante Kontakte zu Islamisten unterhalten hat.“

 Die Bundesregierung verweigerte gestern mit Verweis auf die geltende Rechtslage die Bekanntgabe konkreter Details. Danach darf die Regierung über die Arbeit der Nachrichtendienste nur im dafür zuständigen geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) berichten.

 Wenig hilfreich war auch die gestern veröffentlichte Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linkspartei zu den bekannt gewordenen geheimen CIA-Gefangenentransporten. Auch darin wird auf die Zuständigkeit der PKG verwiesen.

 Weniger überrascht als Bosbach zeigt sich der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der auch Mitglied des Kontrollgremiums ist. Dass es einen engen Informationsaustausch zwischen deutschen und US-Behörden gibt, ist für ihn nicht neu. Entscheidend sei, ob es einen zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang zwischen Verschleppung und der Weitergabe von Information über al-Masri gegeben habe.

 Die Bundesregierung steht wegen der Affäre zunehmend unter Druck. Die Opposition erwägt die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. In der Kritik stehen besonders der frühere Innenminister Otto Schily und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, die beide frühzeitig von der Entführung unterrichtet waren. Wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes nun erklärte, war auch der frühere grüne Außenminister Joschka Fischer persönlich seit dem Juni 2004 vom Fall al-Masri informiert worden. Fischer habe seinerzeit „sichergestellt, dass die in dem Schreiben enthaltenen Informationen an die zuständige Stellen weitergeleitet worden sind“, erklärte ein Sprecher des Amtes.

 Auch in der Koalition steigt der Druck: Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, kann sich kaum vorstellen, dass die CIA bei der Verschleppung al-Masris deutsche Informationen nutzte. Aber für den Fall der Fälle sagt er: „Träfe das zu, weiß ich gar nicht, was in Deutschland dann los wäre.“