Mercosur will Europa unter Druck setzen

Kurz vor den WTO-Verhandlungen in Hongkong tritt Venezuela dem Handelsbund bei und erhöht dessen Gewicht

PORTO ALEGRE taz ■ Venezuela ist seit diesem Wochenende Mitglied des südamerikanischen Handelsbundes Mercorsur. In der uruguayischen Hauptstadt Montevideo beschlossen die Präsidenten Argentiniens, Brasiliens, Paraguays und Uruguays am Freitag, Venezuela als fünftes Vollmitglied aufzunehmen.Während einer Übergangszeit, die bis Mitte 2007 dauern dürfte, werden die handelspolitischen Details geklärt. Bis dahin kann das von Hugo Chávez regierte Land in allen Instanzen des Mercosur mitreden, wenn auch ohne Stimmrecht.

Mit der Einbindung des erdölreichen Venezuelas gewinnt der Mercorsur an Gewicht, was auch die europäischen Staaten zukünftig in den Verhandlungen über den Welthandel spüren dürften. So drängte Brasiliens Präsident Lula da Silva seine Kollegen dazu, besonders auf die Europäische Union Druck auszuüben: Die reichsten Industrieländer sollten auf der morgen beginnenden WTO-Ministerrunde in Hongkong ihre Agrarsubventionen spürbar kürzen und den Marktzugang für Agrarprodukte des Südens verbessern, meinte Lula. Eine Verpflichtung, bis 2010 sämtliche Zuschüsse für Agrarexporte abzubauen, könne den WTO-Verhandlungen einen „wichtigen Impuls“ geben, heißt es in der Abschlusserklärung des Gipfels.

Der Mercosur war 1991 nach dem Vorbild der EU gegründet worden. Bisher beschränkt sich die Zusammenarbeit aber vor allem auf Handelsfragen. Doch das soll nicht so bleiben. Venezuelas Regierungschef Hugo Chávez forderte, der Mercosur solle sozialen Fragen gegenüber der „Integration der Eliten und der transnationalen Konzerne“ Vorrang einräumen: „Der Mercosur muss der Schild unserer politischen und wirtschaftlichen Interessen werden.“

Bis Ende 2006 soll ein gemeinsames Parlament eingerichtet sein, ab 2011 werden die Abgeordneten direkt von der Bevölkerung gewählt. Auch sozial- und kulturpolitische Initiativen sind in Arbeit, die Regeln für einen Strukturfonds zugunsten der kleineren Mitgliedsländer Uruguay und Paraguay bereits verabschiedet.

Und wie die EU will der Mercosur weiterwachsen. Bereits jetzt sind sämtliche Andenländer assoziierte Mitglieder des Mercosur, Mexiko hat dies beantragt. Der Beitritt Venezuelas werde die Integration voranbringen, sagte Lula, der eine „südamerikanische Gemeinschaft der Nationen“ anstrebt. Nur gemeinsam könne man in der globalisierten Weltwirtschaft bestehen, erklärte Lula. GERHARD DILGER