Proteste gegen Bombenterror

In Bangladesch verbreiten Bombenanschläge Angst. Erst spät räumt die Regierung, die im Verdacht der Kollaboration mit islamistischen Attentätern steht, das Problem ein

DHAKA taz ■ Zehntausende Menschen haben am Wochenende in Dhaka und anderen Städten Bangladeschs gegen den Bombenterror demonstriert. Am Sonntag zog ein von Oppositionsparteien organisierter Marsch durch Dhakas Innenstadt. Am Freitag hatte sich Obaidul Haq, einer der ranghöchsten Geistlichen des Landes, von der Baitul-Mukarram-Moschee in Dhaka aus an tausende Gläubige gewandt: „Diese Bombenleger sind Feinde des Islams, und jeder Muslim hat die Pflicht, sich ihnen entgegenzustellen!“

In diesem Jahr starben bereits mindestens 25 Menschen durch Sprengkörper. Seit der ersten islamistischen Bombe, die im März 1999 das Büro der Kulturorganisation Udichi in der Stadt Jessore zerstörte, fielen 179 Menschen den Anschlägen zum Opfer. Als am 17. August dieses Jahres fast 500 Bomben in nahezu allen Distrikten des Landes hochgingen, wurde der Öffentlichkeit schlagartig bewusst, dass die selbst ernannten Gotteskrieger überall und jederzeit zuschlagen können. In der vergangenen Woche starben weitere sieben Menschen durch einen Selbstmordbomber in Netrakona. Sein Ziel war wieder ein Büro der Kulturorganisation Udichi.

In Dhaka und anderen Städten patrouillieren Polizisten und kontrollieren Fahrzeuge an Straßensperren. Ein neues Gesetz erlaubt die Aufzeichnung von Telefongesprächen und verpflichtet Mobilfunkanbieter zur Auskunft über ihre Kunden. Fast täglich berichtet die Presse von Verhaftungen Verdächtiger. Aber die Drahtzieher des Terrors sind weiter auf freiem Fuß.

Jahrelang hatten verschiedene Regierungen in Dhaka die islamistische Terrorgefahr geleugnet. Erst als sich eine Gruppe namens „Jama'atul Mujahideen Bangladesh“ (JMB) zu den Massenanschlägen im August bekannte, ist der Terror auch „offiziell“ Gesprächsthema. Täglich verurteilen Politiker der Regierungskoalition, die aus der Massenpartei BNP und zwei islamischen Gruppen besteht, die Bomben. Doch der Regierung haftet der Verdacht der Kollaboration mit religiösen Fanatikern an.

„Der Terror ist nicht über Nacht entstanden“, meint ein leitender Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation (NGO) in Dhaka, der nicht genannt werden möchte. „Die jetzige Regierung ist hauptsächlich für dessen Erstarken verantwortlich, aber auch ihre Vorgängerin, die heutige Opposition, war lange Zeit untätig. Erst seit Neuestem werden Maßnahmen gegen Bombenleger ergriffen, reichen aber bei weitem nicht aus. Viele meinen, die Bombenleger genießen den Schutz einflussreicher Regierungsmitglieder.“

Dass die Anführer der radikalen Islamistengruppen noch immer nicht gefasst seien, nähre diesen Verdacht, so der NGO-Mitarbeiter. Medien hätten enthüllt, dass führende JMB-Kader früher Mitglieder der heutigen Regierungspartei Dschamaat-i-Islami gewesen seien. Die Islamistenbewegung war jahrelang verboten, weil sie im Freiheitskampf gegen Pakistan 1971 dies unterstützt und führende Intellektuelle ermordet hatte.

Während die JMB Morddrohungen an hochrangige Polizisten, Richter und Journalisten verschickt und weitere Anschläge vorbereitet, schieben sich Regierung und Opposition gegenseitig die Verantwortung für den Terror zu. Angst macht sich in der Öffentlichkeit breit. „Ich fühle mich persönlich bedroht“, gesteht der NGO-Mitarbeiter in Dhaka. „Wie das Beispiel der Kulturorganisation Udichi beweist, stehen auch NGOs auf der schwarzen Liste der Bombenleger. Bei dem Anschlag in Netrakona vergangene Woche verlor ich einen guten Freund. Wir hoffen, die Regierung möge den Spuk endlich beenden, aber wir können den Willen dazu nicht erkennen.“ RAINER HÖRIG