Schwertwale mit Umweltgiften belastet

Gefährliche Chemikalien finden sich selbst in entlegenen Regionen wieder. Forscher weisen Gifte im Walspeck nach

BREMEN taz ■ Die Schwertwale im Norden Norwegens machen den Eisbären als giftigste Polbewohner Konkurrenz: Die Meeressäuger sind viel stärker mit Umweltgiften belastet als bislang angenommen. Dies geht aus Untersuchungen norwegischer Wissenschaftler hervor, die der Umweltverband WWF gestern veröffentlicht hat.

Die Forscher haben Walspeck von Tieren aus dem Tysfjord vor der norwegischen Küste analysiert. Sie wiesen gefährliche Chemikalien wie PCB (polychlorierte Biphenyle), Pestizide und bromierte Flammschutzmittel nach. Die Stoffe werden bei der Herstellung von Kunststoffen eingesetzt, die für Computer, Fernseh- oder Küchengeräte gebraucht werden.

„Um diese alltäglichen Chemikalien machen wir uns besonders Sorgen“, sagt Brettania Walker vom Arktis-Programm des WWF in Oslo. „Sie kommen über weite Strecken in die Arktis.“ Tatsächlich werden aus der entlegenen Polregion seit Jahren hohe Belastungen mit Umweltgiften gemeldet. Gefährliche Stoffe, die in dieser Gegend niemals hergestellt oder verwendet wurden, finden sich plötzlich in Robben, Eisbären und der Muttermilch von Inuitfrauen wieder.

Viele Chemikalien sind sehr stabil und extrem langlebig. Sie überstehen unbeschadet eine lange Reise – wie zum Beispiel das Pestizid DDT. Dieses ist sehr giftig und hierzulande deshalb schon seit Jahren verboten. In einigen Ländern wird es aber noch immer verwendet. Walker erklärt: „Das Gift steigt zunächst in die Atmosphäre auf und reist anschließend mit Wind- oder Wasserströmungen in Richtung Norden.“ In der Arktis endet der Weg.

Da es in der arktischen Region kalt und dunkel ist, werden die Gifte dort erst recht nicht abgebaut. Sie halten sich viele Jahre. Schwertwale oder Eisbären stehen zudem am Ende einer Nahrungskette. Die Schadstoffe können sich bereits im Wasser und in den Fischen und Robben, von denen sie sich ernähren, angereichert haben.

Die Gifte können unter anderem das Nervensystem der Tiere stören. Auch das Verhalten und die Fortpflanzung können beeinträchtigt werden. Heute haben schon vier bis fünf Prozent der Eisbären zwittrige Geschlechtsmerkmale. Missbildungen und eine hohe Sterblichkeit der Jungen sind ebenfalls bekannt. Daneben leidet auch das Immunsystem der Tiere: je höher ihre Giftbelastung, desto schwächer ihre Krankheitsabwehr.

KAROLINE SCHACHT

Die Autorin ist Meeresbiologin und wissenschaftliche Beraterin des WWF