Rheinländer werkeln am Stadtbild

In der Bürgerwerkstatt können die Bonner über die Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes mitreden. Das Modell soll jetzt auch in Köln erprobt werden

„Die Bürgerwerkstatt setzt etwas in Bewegung“

VON SEBASTIAN SEDLMAYR

Das „Bonner Loch“ am Hauptbahnhof gilt als Sinnbild missglückter Stadtplanung in der ehemaligen Bundeshauptstadt. Mit seinem unübersichtlichen Treppenaufgang – dem eigentlichen „Loch“ –, seinen ausladenden Betonpetumen und der nichts sagenden Blockbebauung ist der Eingang zur Bonner City Ästheten und Ordnungsliebhabern gleichermaßen verhasst. Genutzt von einer offenen Drogenszene, häufig zugemüllt, den Reisenden alles andere als willkommen heißend, taugt er nicht als Tor zu einer Stadt, die sich mit ihren überdurchschnittlichen Einkommens- und Wachstumsraten der besseren Gesellschaft zurechnet. Und deshalb soll das Bonner Loch verschwinden.

Darüber ist man sich seit langem einig. Nur über das, was danach kommt, herrscht in der Stadt seit Jahren Dissens. Als die Pläne der Stadtspitze bekannt wurden, auf dem Gelände ein Einkaufszentrum errichten zu lassen, starteten Anwohner ein Bürgerbegehren. „Die Planung hätte den ganzen Bahnhofsbereich erdrückt“, so Günter Bergerhoff von der Aktionsgemeinschaft Bahnhofsvorplatz (AGB), die maßgeblich am Erfolg des Bürgerbegehrens beteiligt war. Die Stadt ließ ihre Pläne fallen. Nun sollen die Bonner mit Hilfe einer Bürgerwerkstatt einig werden (siehe Kasten).

Nach einer für alle Interessierten offenen Informationsveranstaltung im Oktober, an der 150 Bonnerinnen und Bonner teilnahmen, kamen Ende November 64 handverlesene Interessenvertreter von der AGB über die Deutsche Bahn bis zu den Ratsfraktionen auf einer „Zukunftskonferenz“ zusammen. Das Beteiligungsprojekt verzeichnet bereits erste Erfolge. Am vergangenen Donnerstag hat der Hauptausschuss des Rates einstimmig eine Reihe von Sofortmaßnahmen beschlossen: Bauliche Barrieren vor dem Bahnhof werden abgebaut und der Platz damit großzügiger gestaltet. Außerdem sollen Reklameständer verschwinden und die Grünphase für Fußgänger, die vom Bahnhof aus die Straße zur Innenstadt queren wollen, soll verlängert werden. „Die Bürgerwerkstatt setzt etwas in Bewegung“, freut sich Bergerhoff.

Auch Frank Baumann, Projektleiter vom Berliner Büro Blau, das in der Bürgerwerkstatt die Moderation übernommen hat, zeigt sich zufrieden mit dem Beginn der Bürgerwerkstatt: „Es gibt ein klares Bekenntnis der Politik, Zeichen zu setzen.“ Morgen sollen die Ergebnisse der acht Arbeitsgruppen der Zukunftskonferenz zusammengetragen und mit Experten diskutiert werden, so Baumann. Die Resultate seien dann für alle Interessierten auf einer großen Abschlusspräsentation in der Universitätsaula am 17. Januar 2006 zu sehen. Der gesamte Prozess werde allerdings noch wesentlich länger dauern. „Wir gehen von einem Zielhorizont bis zum Jahr 2030 aus“, sagt Baumann.

Vor ganz ähnlichen Herausforderungen wie Bonn steht ein paar Kilometer rheinabwärts eine Stadt, die sich mit breiter bürgerschaftlicher Beteiligung noch sehr schwer tut: In Köln wartet ein mehrere tausend Quadratmeter große Fläche um den Bahnhof Deutz auf neue Ideen, nachdem sich die Stadt im Streit mit der Unesco um den Bau von fünf Hochhäusern offenbar geschlagen gibt. Maximal 60 Meter hoch soll die Bebauung zwischen Kölnarena und dem 103 Meter aufragenden LVR-Turm werden.

Das Areal liegt eigentlich im Herzen Kölns. Doch die östliche Rheinseite, die im Volksmund „schäl Sick“ genannt wird, ist seit dem Untergang der verarbeitenden Industrie in den 1990er Jahren weder Fisch noch Fleisch. Mit ihren ausgedehnten Brachen ist sie ein ewiges städtebauliches Versprechen, das bislang lediglich als Projektionsfläche für die spießigen Hochhaus-Fantasien überregional Furore machte.

Die Bürgerbeteiligung an den Deutzer Hochhausplänen verlief streng nach Vorschrift – kaum jemand nahm davon Notiz. Ebenfalls fast unbeachtet von der Öffentlichkeit ist die direkte Beteiligung jedoch einen großen Schritt vorwärts gekommen: Im Februar hat der Kölner Rat ein umfangreiches „Konzept zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements“ beschlossen. Dieses Beteiligungskonzept könnte nun, wenn der Hochhaus-Streit endgültig beigelegt werden sollte, erstmals mit Leben erfüllt werden. Die Verwaltung wird dem Rat morgen ein erweitertes Bürgerbeteiligungsverfahren zur Abstimmung stellen. Es sei „mit Sicherheit ein moderiertes Verfahren“ zu erwarten, so die Stadtplanungsamtsleiterin Anne Luise Müller zur taz. Die Amtsleiterin plädiert dafür, ähnlich wie in Bonn zunächst die direkt betroffenen Interessengruppen an einen Tisch zu bringen. Wenn sich die Anlieger – Kölnmesse, Landschaftsverband Rheinland, Deutsche Bahn und Stadt Köln – dann grundsätzlich einig seien, solle die Bürgerschaft einbezogen werden.

Martin Rüttgers, Mitglied der vom Stadtrat eingesetzten Steuerungsgruppe, die das Kölner Beteiligungskonzept umsetzen soll, hält eine Bürgerwerkstatt für „gut geeignet für komplexe Ausgangslagen wie in Deutz“. Die Stoßrichtung der Verwaltung begrüßt er. Um das Konzept umzusetzen, bedürfe es allerdings einer abgestimmten Strategie. „Und die vermisse ich bislang.“