Korruption ist nur zu Hause okay

Der neue Job von Gerhard Schröder stößt bei Union und FDP weiter auf Kritik. Bei diversen Tätigkeiten ihrer eigenen Promis gab es früher kaum Einwände. Aber deren Arbeitgeber waren auch nicht „in den Händen einer ausländischen Macht“

Die Liberalen haben die Causa Schröder auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Über die aktuellen Aktivitäten von Exkanzler Gerhard Schröder für das deutsch-russische Gaspipeline-Konsortium erregen sich Politiker von Union und FDP weiter gern und vehement. So sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Norbert Röttgen, gestern, Schröders neuer Job stelle eine „retrospektive Belastung seiner Tätigkeit“ als Kanzler dar. Die FDP setzte eine aktuelle Stunde im Bundestag zur Causa Schröder durch, die schon morgen stattfinden soll.

Zur Begründung erklärten die Liberalen, dass Schröder Aufsichtsrat werde, zeuge von „Respektlosigkeit“ gegenüber seinem früherem Staatsamt und „einer Missachtung der Tatsche, dass Schröder noch auf der ‚Gehaltsliste Deutschlands‘ steht“.

An die geschäftlichen Aktivitäten eigener Parteifreunde werden die schwarz-gelben Schröder-Kritiker dagegen weniger gern erinnert. Kein Wunder: Der Vorwurf der Scheinheiligkeit liegt nahe. So hatte in der Union kaum jemand etwas einzuwenden, als der bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) vor kurzem direkt von der Regierung in den Vorstand der Bahn wechselte – für die er sich bei den Koalitionsverhandlungen gerade noch engagiert hatte. Ebenso wenig Kritik kam aus der Union, als Exkanzler Helmut Kohl kurz nach seiner Abwahl 1998 einen gut dotierten Beratervertrag mit dem Medienunternehmer Leo Kirch abschloss. War aus Sicht der Union damals in Ordnung, was sie heute für verwerflich hält? Auf Nachfrage der taz zur Vergleichbarkeit der Fälle Kohl und Schröder sagte Röttgen nur, man habe „bislang diesen Zusammenhang nicht erörtert“.

Kohl hatte jahrelang rund 300.000 Euro per anno von Kirch kassiert. Brisant vor allem, weil er sich als Kanzler immer wieder für Kirchs Pläne auf dem Fernsehmarkt eingesetzt hatte. Außer Kohl standen auch die Ex-Unionsminister Theo Waigel, Wolfgang Bötsch, Christian Schwartz-Schilling, Rupert Scholz sowie Jürgen Möllemann (FDP) auf Kirchs Gehaltsliste.

Während Röttgen diese Verbindungen bislang lieber gar „nicht erörtert“ hat, fiel Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach ein neues Kriterium ein, das Schröders Aktivitäten einzigartig – und deshalb verdammenswert – machen soll: die Nationalität des Arbeitgebers. „Ich kann mich nicht erinnern“, sagte Bosbach der taz, „dass jemals ein ehemaliger Bundeskanzler in eine Gesellschaft eingetreten ist, die zumindest mittelbar in den Händen einer ausländischen Macht ist.“ Für kein anderes Projekt habe sich Schröder als Kanzler mit solcher Verve eingesetzt wie für die deutsch-russische Gasleitung – gegen die Interessen Polens. „Was das mit Helmut Kohl zu tun haben soll“, so Bosbach, „kann ich nicht erkennen.“

Die CSU hingegen zielt auf den zeitlichen Ablauf von Schröders Aktivitäten. Es falle schwer zu glauben, dass der „Deal“ mit dem Gaspipeline-Konsortium erst in den letzten zwei Wochen klar gemacht worden sei, erklärte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Es stelle sich vielmehr die Frage, ob Schröder seinen neuen Posten noch während seiner Amtszeit vereinbart habe.

Nach eigenen Angaben war dem Exkanzler am Freitag „von russischer Seite“ der Posten im Aufsichtsrat angeboten worden. Schröder lehnte es laut Süddeutscher Zeitung ab, den Namen des Anrufers zu nennen. Seine Tätigkeit bezeichnete er als „Ehrensache“, über die Bezahlung sei noch gar nicht gesprochen worden.

Die Grünen haben ein fraktionsübergreifendes Gespräch über einen Ehrenkodex für Ex-Politiker vorgeschlagen. Es müsse „klare, transparente Regeln geben“, sagte Fraktionschefin Renate Künast. Als Termin schlug sie den 17. Januar vor. Für diesen Tag hat Bundestagspräsident Norbert Lammert ohnehin alle Fraktionschefs eingeladen – zum Thema Abgeordnetendiäten.