Elterngeld wird frühe Geburt

Anfang 2006 will die große Koalition sich auf einen Gesetzentwurf zum Elterngeld einigen. Familienministerin von der Leyen räumt Streit mit der SPD um wichtige Details aus. Elterngeld-Erfinderin warnt: Wenn das funktioniert, wird’s übrigens teurer

VON ULRIKE WINKELMANN

Schon früh im kommenden Jahr will Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen Gesetzentwurf zum Elterngeld vorlegen. „In zwei, drei Monaten“ werde das Elterngeld auf den Parlamentsweg gebracht, erklärte von der Leyen gestern Morgen im Deutschlandfunk.

Von der Leyen löste auch einen großkoalitionären Streitpunkt fürs Erste auf. Zunächst hatte sie geplant, als Grundlage für die Berechnung des Elterngelds das gemeinsame Haushaltseinkommen geteilt durch zwei zu veranschlagen. Dies hätte laut SPD jedoch dazu geführt, dass die klassische Rollenverteilung nur begünstigt worden wäre: Wenn er viel und sie wenig verdient, das Elterngeld dann möglicherweise höher als ihr ursprünglicher Verdienst wäre, würde sie dankend daheim bleiben – und er sich weiterhin nicht ums Babywickeln scheren.

Gestern dann erklärte von der Leyen, das gemeinsame Familieneinkommen werde nur bei „kleinen Einkommen“ zugrunde gelegt, „damit diese Familien ein angemessenes Mindestelterngeld erhalten“. Ab einer bestimmten Grenze dann gebe es Elterngeld als Lohnersatz für den betreuenden Elternteil.

Dies, erklärte die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Nicolette Kressl gestern der taz, entspreche den Vorstellungen ihrer Partei: „Jetzt sind wir so nahe beieinander, dass wir Anfang 2006 einen Kompromiss kriegen werden.“

Weder von der Leyen noch Kressl möchten allerdings schon konkrete Rechenbeispiele vorlegen, wie das Elterngeld im unteren Einkommensbereich funktionieren soll. Klar ist einerseits, dass es eine Art „Sockelbetrag“ geben wird, der bei Geringverdienern höher liegen müsste als 67 Prozent vom Netto. Andererseits umschifft die Ministerin die Nennung so einer Grundsumme. Vielmehr will sie Sozialleistungen auf das Elterngeld anrechnen lassen, was zur Folge hätte, dass Arbeitslose auch schlechter dastehen könnten als bisher.

„Wohlweislich“ nenne die große Koalition noch keine Zahlen, sagte der Familienpolitiker der Linksfraktion, Jörn Wunderlich, zur taz: Sobald Daten vorlägen, könnte die Koalition in Erklärungsnot geraten. Wunderlich bezweifelt zudem, dass die zwei Papa-Monate die von der SPD besonders hochgehaltene moderne Rollenaufteilung befördern: „In diesen wirtschaftlichen Zeiten werden sich längst nicht alle Paare für einen zweimonatigen Verlust von einem Drittel ihres Einkommens entscheiden.“

Auch die „Erfinderin“ des Elterngelds befürchtet, dass für Arbeitslose das Elterngeld Nachteile erbringen könnte. „Die Sozialleistungen dürfen auf keinen Fall komplett angerechnet werden, das wäre unsozial“, sagte Sandra Gruescu zur taz. Für die damalige Familienministerin Renate Schmidt (SPD) erstellte Gruescu mit dem Darmstädter Wirtschaftswissenschaftler Bert Rürup 2003 das entscheidende Gutachten: Sie empfahlen das Elterngeld plus bessere Kinderbetreuung plus familienfreundliche Arbeitszeiten, um die Geburtenrate aufzupäppeln.

„Wir haben das Gutachten als reine Ökonomen geschrieben“, erklärte Gruescu. Die Frage, ob es sozial gerecht sei, Gutverdiener fürs Kinderkriegen stärker zu belohnen als Schlechtverdiener, sei bewusst ausgeklammert worden. „Ein Sozialpolitiker würde natürlich etwas anderes schreiben.“ Gruescu warnt die Politik davor, sich auf ihren Kostenvoranschlag von 4,3 Milliarden Euro zu fixieren – der sei für das Jahr 2004 berechnet. „Wenn das Elterngeld aber erfolgreich wird – es mehr Kinder gibt und die Väter wirklich mitmachen –, wird’s für den Staat natürlich teurer.“