Starke Proteste zum WTO-Auftakt

Pfefferspray, Pfeifkonzerte, Zusammenstöße, Transparente – den ersten Tag der Welthandelskonferenz dominierten tausende Demonstranten und Polizisten. UN-Generalsekretär Annan mahnt Fortschritte zugunsten der Armen an

HONGKONG taz ■ Nicht nur außerhalb, sondern im Tagungszentrum – begleitet von starken Protesten begann gestern in Hongkong die sechste Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO). Ziel der bis Sonntag anberaumten Konferenz ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung zur weiteren Liberalisierung des Handels mit Agrarprodukten, Industriegütern und Dienstleistungen. Angereist sind MinisterInnen aus 149 Staaten.

WTO-Generaldirektor Pascal Lamy erklärte in seiner Eröffnungsrede, freier und fairer Handel sei die beste Gelegenheit für Entwicklung. Und Entwicklung bilde das Rückgrat der laufenden, 2001 in Doha gestarteten Verhandlungsrunde. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte die Mitgliedstaaten in einer verlesenen Botschaft auf, bei den Verhandlungen „endlich Fortschritte zu machen“. Alles andere „wäre eine schwere Enttäuschung für die Armen der Welt, die sich nach Möglichkeiten sehnen, mit eigener Kraft der Armut zu entkommen“.

Lamys Eröffnungsrede wurde minutenlang durch Sprechchöre von rund 40 Attac-Aktivisten unterbrochen, die trotz hermetischer Abriegelung des Konferenzzentrums durch über 9.000 Polizisten und Soldaten in den Veranstaltungssaal gelangen konnten. Während Lamys Rede hielten sie Transparente hoch mit Aufschriften wie „Die WTO bringt Bauern um“ oder „Die WTO tötet Demokratie“.

Schon vor Beginn der Eröffnungszeremonie demonstrierten gestern mehrere tausend Globalisierungskritiker in den Straßen Hongkongs gegen eine weitere Liberalisierung des Welthandels. Die WTO-Kritiker warfen vor allem den Industrieländern vor, mit einer Politik „rücksichtsloser Marktöffnung das Leben der Ärmsten aufs Spiel zu setzen“. Rund 40 Mitglieder einer koreanischen Kleinbauernvereinigung sprangen in das Hongkonger Hafenbecken. Symbolisch deuteten sie an, zum Konferenzzentrum schwimmen zu wollen. Die Polizei schritt nicht ein. Einige Aktivisten mussten wegen Unterkühlungen ärztlich behandelt werden, nachdem sie über zwanzig Minuten im eiskalten Wasser verbracht hatten.

Lokale Fernsehsender berichteten von einem Zusammenstoß zwischen koreanischen Demonstranten und Polizisten in Wan Chai nahe dem Gipfelort. Die Polizei habe Pfefferspray eingesetzt, nachdem die Demonstranten mit Bambusstöcken auf eine Straßensperre zugerannt seien. Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht. Verschiedene WTO-kritische Gruppen griffen die EU wegen ihrer Handelspolitik scharf an.

Christina Deckwirth von der Organisation Weed: „Die EU stellt sich gerne als die gute Supermacht dar, doch ihre Handelspolitik zeigt nur eins: Verpackt in Entwicklungsrhetorik geht die EU in Wirklichkeit auf Schmusekurs mit den größten europäischen Konzernen.“

ANDREAS ZUMACH