Straßenbahn kriegt einen Superbahnhof

Nach langem Tiefschlaf wird der Senat flott: 2009 sollen Trams von Prenzlauer Berg zum Hauptbahnhof fahren

Die Verkehrsverwaltung will den neuen Hauptbahnhof bis 2009 an das Tram-Netz anbinden. Die Fachleute halten die Streckenführung über die Invalidenstraße für sinnvoll: Die Straßenbahn führe vom Hauptbahnhof zum Nordbahnhof und würde an der Bernauer Straße an mehrere Tramlinien in Prenzlauer Berg anknüpfen. „Die Route bietet die günstigsten Fahrzeiten und Umsteigemöglichkeiten, rund 15.000 Fahrgäste am Tag würden sie nutzen“, sagt Katrin Vietzke, in der Behörde für Straßenentwürfe zuständig.

Uraltidee ganz neu

Auch der Autoverkehr soll besser zum und um den Hauptbahnhof fließen. Die Verkehrsverwaltung will daher für den Ausbau der stark belasteten Invalidenstraße ein neues Planfeststellungsverfahren starten. Damit belebt sie eine Uraltidee neu: Schon seit 1993 hat der Senat verschiedene Ausbauvarianten geprüft, begleitet von heftigen Anwohnerprotesten. Erst im Oktober 2004 hatte Ingeborg Junge-Reyer das Planfeststellungsverfahren ihres Vorgängers Peter Strieder (beide SPD) gekippt, weil es zu wenig Alternativrouten einbezogen hat.

Das holt die Verwaltung jetzt umso ausführlicher nach: Während bei der Tram die Führung über die Invalidenstraße vorgezogen wird, prüfen die Experten beim Autoverkehr fünf verschiedene Strecken, um sie zu entlasten. Derzeit fahren täglich bis zu 30.000 Autos auf der direkten Verbindung zwischen Moabit und Prenzlauer Berg. Sowohl ihr Ausbau, aber auch die Erneuerung umgebender Straßen und Einbahnstraßen-Systeme werden diskutiert, um den Bahnhof in Richtung Osten besser anzubinden. „Das Quartier um den Hauptbahnhof wird sich rasant entwickeln und weiteren Verkehr erzeugen“, sagt Friedemann Kunst, Leiter der Verkehrsentwicklungsplanung.

Nachdem es der Senat über ein Jahrzehnt verschlafen hat, für eine ordentliche Anbindung des Superbahnhofs zu sorgen, gibt er sich jetzt ehrgeizig: Bis Februar nächsten Jahres will die Verwaltung auch beim Straßenausbau die beste Variante ermitteln, Ende 2006 soll das Planfeststellungsverfahren eröffnet werden. Stünde der Beschluss darüber bis Ende 2007 fest, könnten Tram und Autos ab 2009 wesentlich komfortabler fahren. Ob das klappt, ist höchst fraglich. Schon in der Vergangenheit hatte eine Bürgerinitiative heftig gegen Pläne protestiert, Klagen sind wahrscheinlich.

Dass der Tram bei all dem eine wichtige Rolle zukommt, ist kein Zufall. Sie ist leistungsfähiger als die existierende Busverbindung. Außerdem hat sich der Senat ein umweltpolitisches Ziel in seine Innenstadt-Strategie geschrieben: Er will erreichen, dass die BerlinerInnen dort 80 Prozent aller Wege ökologisch korrekt zurücklegen, dass heißt, entweder den Nahverkehr nutzen, Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen. Nur 20 Prozent der Wege sollten per Auto zurückgelegt werden. Das Verhältnis des Modal-Splits liegt derzeit bei 76 zu 24.

Parkgebühren sinnvoll

Um das Ziel zu erreichen, will der Senat zum Beispiel die Gebiete ausweiten, in denen Parkgebühren fällig werden. Laut der Verkehrsbehörde ist die Strategie erfolgreich. „In der Innenstadt innerhalb des S-Bahn-Rings ist der Autoverkehr in den vergangenen Jahren um fünf bis zehn Prozent zurückgegangen“, sagt Verkehrsplaner Kunst. Im ganzen Stadtgebiet beträgt der Rückgang ein halbes Prozent. Im Gegenzug habe die Nutzung von Fahrrad und Nahverkehr zugenommen, so Kunst. Die Behörde wertet derzeit die Ergebnisse der Straßenverkehrszählung 2004/2005 aus, die davor fand 1998 statt.

ULRICH SCHULTE