Glühweinverkauf unter Videokontrolle

Ein 27-Jähriger erhob erfolgreich Einspruch gegen seine Überwachung mit Filmkameras als Verkäufer auf dem Göttinger Weihnachtsmarkt. Das Arbeitsgericht verhängte eine einstweilige Verfügung gegen die Budenbetreiberin

Die Inhaberin eines Glühweinstandes auf dem Göttinger Weihnachtsmarkt darf ihre Beschäftigten nicht länger mit Videokameras bei der Arbeit filmen lassen. Das örtliche Arbeitsgericht gab gestern dem Antrag eines Beschäftigten auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung statt (Az 4 Ga 6/05). „Das bedeutet, die Kameras müssen abgebaut oder ausgeschaltet werden, sobald die Verfügung zugestellt ist“, sagte Rechtsanwalt Johannes Hentschel der taz.

Der Jurist vertritt den 27-jährigen Volker N., der seit Ende November als Verkäufer bei der Betreiberfirma der Glühweinbude unter Vertrag ist. Bereits an seinem ersten Arbeitstag bemerkte N. zwei Kameras, die in rund 2,20 Meter Höhe an dem Stand angebracht und auf die Arbeitsplätze der Verkäufer sowie einen Bereich auf der anderen Seite der Verkaufstheke gerichtet waren.

„Zunächst hielt ich die Kameras für Attrappen“, erzählt N. Erst am folgenden Tag habe er bemerkt, dass die Videokameras doch in Betrieb waren und Bilder von Personal und Kunden auf einen Monitor in einen vom übrigen Arbeitsbereich abgetrennten Raum übertrugen. Auf die Frage nach dem Sinn sei ihm nur ausweichend geantwortet worden, so der Betroffene. „Allgemeine Kontrolle“ – mehr sei nicht herauszukriegen gewesen. Der Grund spielte für N. letztendlich auch keine Rolle: „Ich sah mich dadurch in meinen Persönlichkeitsrechten verletzt und habe den Abbau der Kameras gefordert.“ Dies sei jedoch nicht erfolgt, vielmehr seien in den darauf folgenden Tagen noch zwei weitere Kameras installiert worden. N. zufolge hat die Filmerei auch bei anderen Beschäftigten der Bude für Unmut gesorgt, diese hätten die Videoüberwachung aber murrend „hingenommen“.

Für seinen Anwalt war die Sache klar: Die Videoüberwachung des Arbeitsplatzes verstoße gegen das Bundesdatenschutzgesetz und verletze schutzwürdige Interessen seines Mandanten, schrieb Hentschel in den Antrag auf Erlass der Verfügung. Die Maßnahme sei weder zur Wahrnehmung des Hausrechts noch anderer Interessen erforderlich, und es habe auch kein Verdacht einer Straftat oder eines Fehlverhaltens bestanden. „Die Überwachung richtet sich ausschließlich gegen die in der Glühweinbude beschäftigten Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer, die somit zum Gegenstand der Beobachtung gemacht werden.“

Das Arbeitsgericht hat die Sichtweise des Verkäufers N. und seines Anwalts nun in vollem Umfang bestätigt. „Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz greift in schwerwiegender Weise in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer ein“, heißt es in dem Beschluss, der wegen der Schwere des Falls ohne mündliche Verhandlung erging. „Die von der Videoaufzeichnung erfassten Arbeitnehmer (...) sind während der gesamten Arbeitszeit hinsichtlich ihres gesamten Verhaltens einem Überwachungs- und Anpassungsdruck ausgesetzt.“ Das Gericht bürdete der Budenbetreiberin zudem die Kosten des Verfahrens auf.

Der Rechtsstreit zieht sich möglicherweise noch auf eine andere Ebene. Volker N. würde gerne auf dem Weihnachtsmarkt weiter jobben. Seit seiner Beschwerde hat er trotz bestehenden Arbeitsvertrages keine Schichten mehr als Glühweinverkäufer bekommen. Nun fürchtet N. aufgrund der einstweiligen Verfügung sogar eine Kündigung. Dagegen will er sich mit einer Klage wehren. R. Paul