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: Deutsch-indische Filmfantasien

Auf DVD lässt sich prima nachvollziehen, was deutsche Männerfantasien mit dem Bollywoodkino zu tun haben

Eine Geschichte deutsch-indischer Filmfantasien: Bereits im Jahr 1921 schreiben Fritz Lang und seine spätere Frau Thea von Harbou ein Drehbuch für einen zweiteiligen, in Indien angesiedelten Abenteuerfilm. Langs Hoffnungen, es selbst verfilmen zu dürfen, zerschlagen sich. Joe May schnappt sich gegen Langs Widerstand das Buch und dreht die Filme mit dem Titel „Der Tiger von Eschnapur“ und „Das indische Grabmal“ selbst. In den Dreißigerjahren, bei der nazifizierten Ufa, kam es zu einem Remake der Filme, Fritz Lang war da längst im Exil in Hollywood; Regie führte der heute vergessene Richard Eichberg.

Eine andere Geschichte deutsch-indischer Filmfantasien: Im Jahr 1925 dreht der Regisseur Franz Ostermayr – unter dem passenden Künstlernamen Franz Osten – in Indien gemeinsam mit seinem Assistenten und Hauptdarsteller Himansu Rai einen an die Lebensgeschichte Buddhas angelehnten Monumentalfilm, „Die Leuchte Asiens“. Rai lernt dabei die von Ostermayrs Brüdern geführten Emelka-Studios kennen (die spätere Bavaria). Zurück in Indien, gründet er ein eigenes Filmstudio, Bombay Talkies, und holt in den Dreißigern Franz Osten und sein Team zurück nach Bombay, wo sie fast zwanzig indische Filme drehen. Es ist dies eine der Geburtsstunden des Bollywood-Kinos, das sich alles Fremde mit Lust am Hybriden immer schon anverwandelt. Noch der nach einem Buch und unter Regie des Urdu-Poeten Kamal Amrohi entstandene großartige Bombay-Talkies-Film „Mahal“ (1949) sieht wie ein expressionistischer Stummfilm aus. Kein Wunder, denn für die Kamera ist Josef Wirsching verantwortlich, ein Österreicher aus Ostens Team.

In den späten Fünfzigerjahren geht Fritz Langs erfolgreiche Karriere in Hollywood zu Ende. Er akzeptiert den Vorschlag des Produzenten Arthur Brauner, in der teuersten deutschen Nachkriegsproduktion seine Drehbücher von einst nun endlich selbst zu verfilmen. Man reist mit großem Team nach Radschastan, um dort atemberaubende Außenaufnahmen zu drehen; anderes, etwa der Kampf des Helden in der Tigerarena, entsteht in Berlin-Spandau. Erzählt wird in „Der Tiger von Eschnapur“ und „Das indische Grabmal“ von einem Deutschen, der einem indischen Maharadscha (Walter Reyer) die irisch-indische Tempeltänzerin Seetha, in die der sich verliebt hat, wegschnappt. Es kommt zu Eifersucht, Verfolgung, dem Tigerkampf, einer blutigen Palastrevolte, einstürzenden Höhlen und zuletzt einem Happyend. Hauptdarsteller sind die Amerikanerin Debra Paget als Seetha, der Schweizer Paul Hubschmid als männlicher Held Harald Berger – Inder treten kaum auf. Die eher mäßig bekleidete Paget stanzt eher als tanzt ihren Körper in eher stripteaseartigen als indischen Bewegungen in den Raum. Fritz Langs indischer Abenteuerfilm ist eine (Männer-)Fantasie.

Beinahe zeitgleich entsteht in Indien die bis dahin teuerste Produktion der Bollywood-Geschichte, der monumentale Film „Mughal-e-Azam“. Das Buch stammt vom einstigen Bombay-Talkies-Regisseur Kamal Amrohi. Der Plot von einem Maharadscha, der sich in die Tempeltänzerin Anarkali verliebt, die zu lieben das Gesetz des Vaters ihm untersagt, folgt einer alten Legende. Die Darsteller (von Dilip Kumar bis Prithviraj Kapoor) sind berühmte indische Filmstars, Madhubala füllt als Tanzende den Raum mit dem schmeichelnden Glanz ihrer Bewegungen. Auch das Indien von „Mughal-e-Azam“ ist ein Fantasieprodukt, geträumt von der Bollywood-Traumfabrik.

Der Vergleich von „Mughal-e-Azam“ und Fritz Langs Abenteuerfilmen ist instruktiv – denn zwischen beiden erstreckt sich das ganze Spektrum monumentaler Ästhetik. Während „Mughal-e-Azam“ ganz auf ein Kino der Pracht und Fülle setzt, auf Bilder, in denen nach Möglichkeit noch der letzte Pfeiler in der äußersten Ecke des Bildes verführerisch funkelt, inszeniert Fritz Lang seinen Trivialplot mit radikalem Sinn für die Schönheit des Flächigen und Leeren. Der indische Klassiker lässt nur an zwei Stellen seine schwarzweißen Bilder in Farbfilmsequenzen geradezu explodieren. Fritz Lang dagegen führt in sonst wohl nur beim Comic-Künstler Hergé zu bewundernder Manier vor, wie man artifizielle Farbkompositionen bei laufender Abenteuerhandlung zur Abstraktion treibt. Es handelt sich dabei keineswegs, wie manchmal behauptet, um die Rückkehr zur Ästhetik des Stummfilms. Zu bewundern ist vielmehr der vollendete Umgang mit Farbe. Dass sie einem dank des makellosen Digitaltransfers die Augen übergehen lässt, ist denn auch das Verdienst der an Extras leider armen DVD-Edition von Fritz Langs „indischen“ Filmen. EKKEHARD KNÖRER

Die Fritz-Lang-Filme sind als „Indien-Edition“ überall im Handel erhältlich. Die Bollywood-Klassiker „Mahal“ und „Mughal-e-Azam“ (Vorsicht: Letzterer in einer neuen, digital kolorierten Fassung) gibt es als Import-DVDs bei www.amazon.de