EU steht im Agrarstreit alleine da

Sowohl die USA als auch die wichtigen Schwellenländer kritisieren auf der WTO-Konferenz die Haltung der Europäischen Union. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sieht aber keine Chance für ein neues Angebot. Minimalkonsens für ärmste Länder

HONGKONG ap/dpa ■ Die 40 bis 50 ärmsten Länder der Welt sollen ihre Waren künftig ungehindert von Zöllen und Importquoten ausführen können. Dies zeichnete sich gestern als erstes Teilergebnis der Welthandelskonferenz in Hongkong ab. „Ich bin zuversichtlich, dass wir alle gemeinsam dieses Ziel erreichen können“, sagte der sambische Handelsminister Dipak Patel. Beim Streit um die Agrarsubventionen verhärten sich die Fronten in der Welthandelsorganisation (WTO) hingegen weiter.

Die Vertreter der EU geraten mehr und mehr in die Isolation. Die mächtigen Handelsländer USA, Brasilien und Indien dringen darauf, dass die Europäer zur Abschaffung ihrer umstrittenen Agrar-Ausfuhrhilfen verbindlich den Termin 2010 zusagen. Die EU pocht jedoch auf vorherige Konzessionen der Partner.

Der chilenische Handelsminister Ignacio Walker erklärte, die Stützungsmaßnahmen für die europäischen Landwirte beliefen sich auf 110 Milliarden Dollar im Jahr oder umgerechnet zwei Dollar am Tag für eine Kuh. „So viele arme Menschen wünschen sich, dass es ihnen wenigstens so gut ginge wie einer EU-Kuh“, fügte der chilenische Minister hinzu.

Auch der US-Landwirtschaftsminister Mike Johanns äußerte sich kritisch über die Haltung der EU, ihre Agrarsubventionen um maximal 46 Prozent zu kürzen. Die USA haben eine Verringerung ihrer Stützungsmaßnahmen für die heimische Landwirtschaft um 60 Prozent und die Abschaffung aller Exportsubventionen bis zum Jahr 2010 angeboten.

EU-Handelskommissar Peter Mandelson zeigte sich dementsprechend enttäuscht über den Verhandlungsstand und verlangte, die USA und große Schwellenländer wie Indien, Brasilien und China sollten endlich eigene Vorschläge zur Reduzierung von Zöllen und anderen Handelsbarrieren vorlegen. Auf die Frage, ob die Teilnehmer bislang lediglich pokern oder ernsthaft miteinander verhandeln, antwortete er: „Es könnte nicht weniger verhandelt werden.“

Frankreich, das bei der Landwirtschaft jegliche weiteren Zugeständnisse ablehnt, sah sich in seinem harten Kurs bestätigt. 21 der 25 EU-Staaten – darunter auch Deutschland – sprachen sich am dritten Gipfeltag dafür aus, kein Datum für das Auslaufen der Exporthilfen anzubieten, sagte Agrarminister Dominique Bussereau. Lediglich die Niederlande, Schweden, Dänemark und Tschechien waren anderer Ansicht.

Der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) schloss allerdings Nachbesserungen am EU-Agrarangebot aus. In der Landwirtschaft habe die EU ihre Hausaufgaben gemacht und sich „unter Schmerzen“ zu Zugeständnissen bereit gefunden. An die USA und Brasilien appellierte er, nicht mit Nachforderungen von eigenen Mankos abzulenken. „Es handelt sich hier um keine Agrarrunde, sondern um eine Welthandelskonferenz“, sagte Glos.

Als exportorientierte Nation habe Deutschland ein „offensives Interesse“ an Zollsenkungen und einem Marktzugang für Dienstleistungen, wo es bislang wenig Fortschritte gebe. „Hier blockieren große Schwellenländer wie Brasilien und Indien weiter.“ Falls in Hongkong kein Abschluss möglich sei, sollten die Gespräche im Frühjahr weitergehen, sagte Glos. „Wir setzen nach wie vor auf einen Erfolg der Runde im Jahr 2006.“

Nach dreitägigen Verhandlungen geraten die Delegationen von 149 Staaten allerdings langsam unter Zeitdruck. „Wir hoffen, dass wir bis Sonntag eine akzeptable Lösung finden“, sagte der honduranische WTO-Botschafter Dacio Castillo. Andernfalls werde es schwierig sein, die Konferenz mit einem positiven Ergebnis abzuschließen. Für die Verhandlungen gilt das Konsensprinzip: Ein Abkommen muss von allen Mitgliedstaaten gebilligt werden.