Zurück zur Mobutu-Generation

Kongos Innenpolitik formiert sich neu in Erwartung freier Wahlen. Ein Bündnis unter dem früheren Zentralbankchef von Diktator Mobutu sorgt für Aufmerksamkeit

BERLIN taz ■ Der Name war Programm. Pierre Pay-Pay wurde im einstigen Zaire berühmt als Zentralbankchef des Diktators Mobutu Sese Seko. Wie so viele Vertreter des „alten Regimes“ ging er ins Exil, als Mobutu 1997 von Laurent Kabila gestürzt und aus Zaire die Demokratische Republik Kongo wurde. Während des Kongokrieges 1998–2003 finanzierte der schwerreiche Exilant lokale Milizen in seiner ostkongolesischen Heimatregion, die gegen die dort herrschenden Rebellen kämpften. Und heute will Pay-Pay, mittlerweile 58 Jahre alt, nach ganz oben. Am Donnerstag stellte ihn sein neues Parteienbündnis Codeco (Koalition kongolesischer Demokraten) offiziell als Präsidentschaftskandidat für die im Juni 2006 vorgesehenen ersten freien Wahlen des Kongo auf.

Als erster deklarierter Kandidat mit halbwegs reellen Chancen sorgt Pay-Pay für erheblichen Wirbel. Nicht von ungefähr erfolgte seine Kandidatur kurz vor dem morgigen Verfassungsreferendum, das den Weg zu freien Wahlen ebnen soll. „Anders regieren“ will Pay-Pays Koalition laut ihrer am Donnerstag verabschiedeten Gründungserklärung und wirbt zugleich für ein Ja zur Verfassung. Man kann nun also die neue Verfassung billigen, ohne damit die ungeliebte derzeitige Warlordregierung zu unterstützen.

Pay-Pays wichtigste Basis ist seine ostkongolesische Heimat. Seine Eltern gehören den beiden wichtigsten Ethnien der Region, den Nande und den Shi, an, aus denen sich auch die mächtigsten lokalen Milizen rekrutieren, die so genannten Mayi-Mayi, die er finanziell mit aufgebaut hat und deren Führer ihn jetzt unterstützen. Fragt man im Ostkongo, wer hier die Wahlen gewinnen wird, lautet die häufigste Antwort: Pay-Pay. Die einst hier herrschende von Ruanda unterstützte Rebellion ist diskreditiert.

Gefahr für Kabila

Gefährlich wird Pay-Pay vor allem für den derzeitigen Präsidenten Joseph Kabila, gegen den bisher kein ernsthafter Rivale in Sicht war mit Ausnahme des historischen Oppositionsführers Etienne Tshisekedi, dessen Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) jedoch den Wahlprozess boykottiert. Pay-Pay nimmt Kabila nicht nur dessen Unterstützer im Ostkongo weg, sondern in seiner Koalition sitzen auch die wichtigsten lokalen Parteien der Südprovinz Katanga, Kabilas Hochburg.

Das Selbstverständnis der Codeco ist jedoch nicht regional, sondern generationell. Kern der Koalition ist eine Gruppe frustrierter Reformer der Mobutu-Ära, die in den 80er-Jahren ein technokratisches, auf autoritäre Modernisierung bedachtes Regime aufbauen wollten und an der Willkür und Gier des Diktators verzweifelten. Zuletzt, während der Kriegszeit, waren sie machtlose Zuschauer des Staatszerfalls. Nun finden sie sich als Codeco wieder zusammen.

Erstes direktes Opfer der Codeco ist die einstige nordkongolesische Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) unter Kongos Vizepräsident Jean-Pierre Bemba, die sich immer als Erbin Mobutus verstand und ihr Hauptquartier in dessen Geburtsdorf Gbadolite hatte. MLC-Geldgeber José Endundo ist einer der 15 Codeco-Gründer, und MLC-Generalsekretär Olivier Kamitatu, zugleich Kongos Parlamentspräsident, wurde letzte Woche wegen Verdachts der Unterstützung von Pay-Pay aus der MLC ausgeschlossen.

Kamitatu ist Lieblingspolitiker der internationalen Geldgeber im Kongo, weil er immer schonungslos Misswirtschaft und Korruption kritisiert. Er selbst hat die Vorwürfe gegen ihn und seinen Parteiausschluss zurückgewiesen. Aber sein Vater Cléophas Kamitatu ist ein weiterer Codeco-Gründer. Cléophas Kamitatu war in den 60er-Jahren Führungsmitglied der größten politischen Formation des Kongo vor Mobutus Militärputsch 1965, der „Conaco“ (Kongolesische Nationalkonvention), was der neuen Codeco zum Verwechseln ähnlich klingt. Mit solchen Reminiszenzen will das neue Bündnis offenbar den Eindruck erwecken, man könne die ganze verfehlte Geschichte des Kongo seit der Unabhängigkeit 1960 neu und besser nachholen.

Eines macht Pay-Pay mit seinem Vorstoß bereits vor: Die Musik in Kongos Innenpolitik spielt jetzt außerhalb der Allparteienregierung unter Präsident Kabila. Wer nach den Wahlen Karriere machen will, sucht sich Wege, die nicht vom Friedensprozess institutionell abgedeckt sind. Turbulenzen sind garantiert.

DOMINIC JOHNSON