Viel reden. Was tun?

Im dünn besetzten Bundestag und auf dem EU-Gipfel gab es empörte Resolutionen gegen Ahmadinedschads Tiraden. Und dabei blieb es

BERLIN taz ■ An deutlichen Worten herrschte kein Mangel gestern im Bundestag. Gleich der erste Redner, der sich mit den Hetztiraden des iranischen Präsidenten gegen Israel befasste, gab die Richtung vor. Die Äußerungen Mahmud Ahmadineschads, sagte der SPD-Menschenrechtsexperte Christoph Strässer, seien „unfassbar und schockierend für alle Menschen auf dieser Erde“. In diesem Duktus ging es weiter.

„Ganz erschreckend“ nannte es die neue menschenrechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Erika Steinbach (CDU), dass Ahmadineschad den „singulären Holocaust“ geleugnet und Israels Existenzrecht bestritten habe. Wenn ein Staatsführer so etwas sage, schloss sich der Grüne Volker Beck an, „dann muss die gesamte Völkergemeinschaft dagegen aufstehen“. Nur Worte?

Nein. Wie gesagt, so auch getan. Niemand kann behaupten, die deutschen Volksvertreter hätten es bei rhetorischen Lippenbekenntnissen belassen. Eine ganz überwältigende Mehrheit entschloss sich spontan zum Handeln und boykottierte – die zu diesem Thema angesetzte Debatte im Plenarsaal. Gerade einmal ein gutes Zehntel der Abgeordneten war noch da, als am Ende einstimmig eine Resolution beschlossen wurde, die die Wahrung des Existenzrechts Israels zur „deutschen Verpflichtung“ erklärt und die Verbalattacken aus Teheran als „völlig inakzeptabel“ verurteilt.

Wahrscheinlich sollte man das Verhalten der Parlamentsmehrheit ja so verstehen: Für die allermeisten Abgeordneten waren Ahmadinedschads Äußerungen dermaßen schockierend, dass sie schon bei der Erwähnung seines Namens fluchtartig den Saal verließen.

Wenn man es so versteht, kann man auch der Unionspolitikerin Erika Steinbach folgen. Steinbach nämlich erklärte, sie müsse dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, „in einem Punkt widersprechen“. Spiegel hatte es doch tatsächlich gewagt, die mangelnde Unterstützung für das jüdische Volk, das vom Iran bedroht werde, zu beklagen. Wie er darauf kam, ist Steinbach schleierhaft: „Das jüdische Volk steht nicht allein gelassen da, wie er meint“, rief sie in den fast leeren Saal. Den Willen zur Unterstützung Israels belege die einstimmig beschlossene Resolution doch „ganz nachdrücklich“.

Maßnahmen gegen den Iran, etwa Wirtschaftssanktionen oder Drohung mit Ausschluss aus der UNO, wie Spiegel sie forderte, beschlossen die deutschen Abgeordneten so wenig wie die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Auch dort verurteilte man Ahmadineschads Tiraden, ohne drastische Schritte einzuleiten. Die EU halte sich alle diplomatischen Optionen offen, hieß es. Mit Blick auf das iranische Atomprogramm erklärte der Europäische Rat: „Die EU arbeitet weiterhin an einer diplomatischen Lösung, allerdings bleibt das Zeitfenster dafür nicht ewig offen.“

So kam der ehrlichste Satz des Tages von Außenamtsstaatssekretär Gernot Erler. Der SPD-Politiker gestand offen ein: „Es ist nicht so einfach für die internationale Staatengemeinschaft, hier adäquat zu reagieren.“ LUKAS WALLRAFF