Das Requisit

Was bringt der technikhistorische Blick: Im Technikmuseum Berlin erinnert eine Sonderausstellung des Militärhistorischen Instituts Prag an Ausführung und Folgen des Heydrich-Attentats 1942

VON BENJAMIN STEININGER

Georg Elser hatte es vergeblich versucht. Das Schattenkabinett vom 20. Juli ebenfalls. Gelungen ist es zwei Fallschirmspringern der tschechoslowakischen Exil-Armee: Am 27. Mai 1942 verübten Jan Kubiš und Josef Gabčík in Prag das einzig erfolgreiche Attentat auf einen der Köpfe des „Dritten Reichs“. Das Heydrich-Attentat ist ein Schlüsselmoment des 20. Jahrhunderts. Aber passt die Geschichte des Attentats in ein Technikmuseum? Wo doch die eigentliche Materie kaum technischer Natur ist?

In einer Haarnadelkurve im Prager Norden lauerten sie der ungeschützten Limousine des stellvertretenden „Reichsprotektors“ Reinhard Heydrich auf und verletzten Hitlers Kronprinzen lebensgefährlich mit einer Handgranate. Wenige Tage später erlag der „Henker von Prag“, der erst 38-jährige Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, als Vorgesetzter Eichmanns der Stratege der Judenvernichtung und Chef der gesamten SS-Terror-Maschinerie im besetzten Europa, einer Wundinfektion.

Es folgen drakonische Vergeltungsmaßnahmen mit tausenden Toten. Nicht umsonst hatte der tschechische Widerstand den Londoner Exil-Präsidenten Eduard Beneš vor einem Angriff auf Heydrich gewarnt. Ganze Familien aus dem weitverzweigten Unterstützernetzwerk der Attentäter werden hingerichtet. Weltweit zum Symbol wird die willkürliche Auslöschung des Dorfes Lidice, die Ermordung und Verschleppung seiner Bewohner. Und schließlich zeigt die brutale Einschüchterung der Gestapo Wirkung. Die Attentäter werden verraten und gestellt. In ihrem Versteck, einer orthodoxen Kirche mitten in Prag, begehen sie Selbstmord.

Niemand kann zwar beziffern, wie der Tod des – so Goebbels – „unersetzlichen“ Heydrich die Nazis geschwächt, wie viele Leben das Attentat insgesamt gerettet hat. Im tschechischen Freiheitskampf haben die hohen Opfer aber einen klaren Sinn. Unter dem Eindruck der von der Propaganda zelebrierten Rache wird Beneš in London als Präsident einer Krieg führenden Nation wieder voll anerkannt. Noch 1942 kündigt England das Münchner Abkommen, und die vollständige Wiederherstellung der Tschechoslowakei kommt auf die Nachkriegstagesordnung.

Was bringt nun ein technikhistorischer Blick auf das Attentat? Wird hier nicht die ganz untechnische Leistung der militärisch-zivilen Widerständler zwischen technizistischen Halbwichtigkeiten zerrieben? Steht die Geschichte des Attentats nicht besser für sich? Soll es wirklich, wo vorsichtig Mut, Zweifel, Tapferkeit, aber auch Verrat im Angesicht des Todes zu vermitteln wären, um die Wertarbeit eines Mercedes-Benz-Kabrioletts Typ 320 gegen die Explosivkraft einer Mills-Spezialgranate gehen?

Derartige Befürchtungen sind im Berliner Technikmuseum nicht eingetreten. Wohl, weil das tschechisch-deutsche Team zwar das Technikmuseum als Plattform nutzt und die Geschichte des Attentats entlang technischer Objekte rekonstruiert, einen klassisch technikgeschichtlichen Zugang aber zu Recht vermeidet.

Gezeigt wird – so Michal Burian aus Prag – das Attentat als „Tragödie von griechischen Ausmaßen in der Wirklichkeit“. Die Okkupation ab 1939, die Ankunft des brutalen „SS-Obergruppenführers“ Heydrich 1941 auf der Prager Burg, das Training und der Flug der Fallschirmkommandos ins „Protektorat“, der zivile Widerstand, schließlich das konkrete Attentat und seine Folgen; an klassisch auratischen, manchmal pathetischen Objekten werden Unterdrückung und Widerstand greifbar. Wie bei der Schau zum Jahrestag 2002 in Prag bildet die Ermittlungssammlung der Gestapo – von Fahndungsakten bis zur Ausrüstung und den blutigen Hemden der Attentäter – den materialen Grundstock.

Methodisch scheint das eher wenig innovativ, auch neue Ansätze zur spezifischen Bedeutung von Technik für den Erfolg wie die Überwindung der Nazis bietet die Ausstellung kaum. Der fruchtbare Doppelblick auf die nationalsozialistische Mixtur aus mythischem Rückgriff und technologischem Vorgriff, den Antje Vollmer in der Eröffnungsdiskussion versuchte, steht nicht im Vordergrund.

Dafür wird der deutschen Öffentlichkeit zu einer Zeit, in der neben der Innenschau auf Bombenkrieg und Vertreibung ein breites Desinteresse an den Geschichten wie Geschichtsbildern unserer Nachbarn besteht, nicht weniger präsentiert als die tschechische Sicht auf ein weiterhin neuralgisches Feld der gemeinsamen Vergangenheit.

Und diese Sicht erholt sich eben erst mühsam von den Eintrübungen der kommunistischen Geschichtspolitik. Das von bürgerlichen Widerstandskämpfern geplante Attentat war in der ČSSR kein Schulstoff, der Kommandeur der Vernichtung von Lidice trotz Todesurteil für den tschechoslowakischen Auslandsgeheimdienst in der BRD aktiv.

Eine politische Ausstellung ist dem Technikmuseum also gelungen, wenn auch nicht jedes Detail überzeugt. Leider wird den Besuchern etwa die spannende Erklärung vorenthalten, warum das prominenteste Ausstellungsstück – Heydrichs veritabler Attentatswagen – weder beim Nazi-Devotionaliensammler noch auf dem Schrott gelandet ist. Geflickt und fast inkognito steht eines der wichtigsten Autos des Jahrhunderts – in Gestalt seines Rosshaarpolsters immerhin Heydrichs zufällig infektiöse Todesursache – herum. Erst auf Nachfrage erzählt Michal Burian die Geschichte des Gefährts, die eine eigene technisch-politische Ausstellung wert gewesen wäre.

Ganz pragmatisch wurde die Limousine noch während der Besatzung repariert, doch so schlampig, dass die Identifikation anhand der Schäden noch möglich ist. Nach dem Krieg kam das Fahrzeug für einige Jahre zur tschechoslowakischen Armee, und bevor es 1993 ins Nationaltechnische Museum und damit in den systematisch kollektiven Erinnerungsfundus einrollte, stand es schon jahrzehntelang poetisch prosaisch und unerkannt im Rampenlicht: in den legendären „Barrandov-Filmstudios“.

Bis 31. März