Der Autominister

Bis 2004 war Umweltminister Sigmar Gabriel Lobbyist. Für VW kümmerte er sich um die Interessen des Verbands europäischer Automobilhersteller, Acea. Ein großer Wunsch dieses Verbandes steht im Koalitionsvertrag – den Gabriel ausgehandelt hat

VON JAN-PHILIPP HEIN

Sigmar Gabriel kennt sich aus in Brüssel. Schon bevor er Bundesumweltminister wurde, war er häufig dort. Als Mitinhaber der Firma Communication, Network, Service (Cones) machte er neben seinem Job als SPD-Fraktionschef im Landtag von Niedersachsen Lobbyarbeit für VW in Brüssel – von November 2003 bis September 2004. Volkswagen selbst begründet Gabriels Engagement mit der Präsidentschaft des eigenen Vorstandsvorsitzenden, Bernd Pischetsrieder, beim Verband europäischer Automobilhersteller, Acea. Positionen genau dieses Verbandes sind in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aufgenommen worden – im Kapitel zur Umweltpolitik, für das bei der SPD Gabriel zuständig war.

Als im Februar 2005 Nebentätigkeiten von Landespolitikern beim Wolfsburger Autobauer in die Schlagzeilen gerieten, nahm Pischetsrieder im Prüfungsausschuss des VW-Aufsichtsrats Stellung zum Vertrag zwischen Cones und Volkswagen. Im Sitzungsprotokoll heißt es zu den Ausführungen des Vorstandschefs: „Er informiert über den Zweck des am 1. 11. 2003 geschlossenen Vertrages, der aus der Sicht der Volkswagen AG in engem Zusammenhang mit der von ihm – Pischetsrieder – zu jener Zeit wahrgenommenen Präsidentschaft der Acea gestanden habe.“

Dass Acea-Positionen Wort für Wort Eingang in zentrale Passagen des Bereichs Umweltpolitik der Koalitionsvereinbarung gefunden haben, zeigt Punkt 7.5, „Verkehr und Immissionsschutz“, des Vertrags. Dort schreiben Union und SPD, sie wollten „die Selbstverpflichtung des Automobilverbands Acea unterstützen“. Es geht um den Ausstoß von Pkw-Schadstoffen. 140 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer sind als Zielmarke für 2008 definiert, 120 Gramm für 2012, ab dann jedoch auch unter Beimischung von Biokraftstoffen. Genau das hilft den Acea-Mitgliedern. „Die Beimischung von Biokraftstoffen nimmt den Druck von der Autoindustrie, technische Lösungen zur Verbrauchs- und Emissionssenkung zu finden“, sagt Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe.

Biokraftstoffe können in normalen Motoren eingesetzt oder beigemischt werden. Dabei sind sie klimaneutral und können mit Null in der CO2-Statistik geführt werden. In der Vergangenheit wollte die EU die Autoindustrie härter angehen. Es wurde sogar über ein Zulassungsverbot von Fahrzeugen nachgedacht, die bestimmte Grenzwerte überschreiten. Solch drastische Maßnahmen umgingen die Autohersteller mit ihrem Acea als Speerspitze, der die Selbstverpflichtung formulierte.

Gabriels ehemaliger Brüsseler Nebenjob und sein neues Berliner Hauptamt vertragen sich womöglich überhaupt nicht. Denn dass er nicht wegen Lappalien zum Hauptsitz der europäischen Union geschickt wurde, bestätigt ein VW-Mitarbeiter inoffiziell: Knallhartes Lobbying sei der Job des Exministerpräsidenten gewesen. Insbesondere auch in Bezug auf Umweltvorschriften. Und das eben nicht nur für Volkswagen, wie ein internes Papier belegt. So heißt es im Protokoll des Prüfungsausschusses des VW-Aufsichtsrats: „Zweck, Inhalt und Abwicklung des Vertrags [zwischen Gabriels Firma ‚Cones‘ und VW; Anm. d. Red.] hätten dem Interesse der Volkswagen AG und der Acea entsprochen.“

In Niedersachsen befasst sich gerade Landtagspräsident Jürgen Gansäuer (CDU) mit Gabriels früheren Nebenjob. Es steht nach wie vor die Frage im Raum, ob die Cones-Gründung nur den Zweck hatte, die Tätigkeit des Exministerpräsidenten für VW zu verschleiern. Die Grünen bestehen auf eine Prüfung der Bilanz des Unternehmens, um herauszufinden, wie viel Umsatzanteil VW bei Cones beigesteuert hat.

Das Bundesumweltministerium gibt Fragen zu Gabriels VW-Job an seinen Anwalt Michael Nesselhauf weiter. Der schreibt: „Die in Ihren Fragen unterstellten Sachverhalte treffen nicht zu; die in Ihren Fragen enthaltenen Unterstellungen sind, mit Verlaub, absurd.“