CDU-Bürgerbegehren
: Ein Schnellkurs in Demokratie

Kreuzberg ist eben doch die Enklave der Revoluzzer. Nehmen wir nur die (Friedrichshain-) Kreuzberger CDU. Sie will – angeführt von ihrem Kreischef und 68er-Vordenker Kurt Wansner – ein Bürgerbegehren starten, um die Benennung der Kochstraße nach Rudi Dutschke zu stoppen. Gut so! Mit der Volte werfen die Kreuzberger Christdemokraten nicht nur die gängige Haltung von Parlamentsfraktion und Landespartei über den Haufen, die immer gegen mehr Demokratie in den Bezirken stimmten. Die Revoluzzer werden gleichzeitig den Beleg dafür liefern, dass das Instrument funktioniert.

Kommentar von ULRICH SCHULTE

Denn die Bürgerbegehren tragen ihren Namen zu Recht. Im Gesetz ist angelegt, dass letztlich das Volk abwägt und entscheidet. Parteipolitisches Kalkül – zu dem manchmal auch die Kreuzberger CDU neigt – hat keine Chance. Der Parteiapparat hilft beim Anschieben des Projekts zwar ungemein: Propere Jungchen von der Jungen Union sammeln eben proper Unterschriften. Doch dann setzt das Bürgerbegehren auf den freien Meinungswettstreit: Alle werden zum Mitmachen aufgefordert, alle diskutieren Dutschke, am Ende siegt die Mehrheit.

Das Gesetz zu den Begehren gibt den BürgerInnen mehr Macht in die Hand. Und es setzt darauf, dass sie sie bewusst anwenden. Auf lange Sicht können die Bürgerbegehren so eine Politisierung der Gesellschaft bewirken: Wer das Gefühl hat, im eigenen Kiez etwas anschieben zu können, informiert sich, geht raus und bleibt nicht verdrossen auf dem Sofa hocken.

Bürgerbegehren sind Schnellkurse in Demokratie. Eine Fußgängerampel vor der Kita durchzufechten bedeutet, Argumente zu sammeln, zu überzeugen, letztlich Bürokratie zu überwinden. Dass die CDU im historischen Kampf gegen eine Dutschke-Straße zu einem ihr verhassten Instrument greift, sollte man als das deuten, was es ist: einen demokratischen Lernprozess.