Rechte wegen Mordversuchs vor Gericht

Nach einer Gewaltserie zwischen Rechten und Linken läuft seit gestern der Prozess gegen sechs Rechtsextreme

BERLIN taz ■ Vor dem Landgericht Potsdam hat gestern ein Prozess gegen sechs Rechtsextreme wegen versuchten Mordes begonnen. Der Überfall der sechs Angeklagten war Teil einer Serie von Gewalttaten zwischen rechten und linken Gruppen in Potsdam. Der Prozessauftakt fand unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt, weil die Polizei Ausschreitungen befürchtete. Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich rund 50 Anhänger der rechten Szene versammelt.

Laut Anklage hat sich die Tat so abgespielt: In der Potsdamer Innenstadt erkannten die Rechtsextremen am 3. Juli einen Studenten als Antifa-Mitglied. Daraufhin kreisten sie ihn und seinen Begleiter ein, traten und schlugen die beiden. Mit einer Bierflasche wurde das Antifa-Mitglied Tamás B. bewusstlos geschlagen und bekam Tritte ins Gesicht. „Dabei nahmen sie den Tod zumindest billigend in Kauf“, heißt es in der Anklageschrift. Tamás B. erlitt eine schwere Gehirnerschütterung, sein Begleiter Schnittwunden im Gesicht.

Der Verein „Jugend engagiert in Potsdam“ hat eine regelmäßige Prozessbeobachtung organisiert, um den Opfern den Rücken zu stärken. „Die Rechten versuchen vor und im Gerichtssaal die Zeugen einzuschüchtern“, sagte Friederike Johanson, eine Sprecherin des Vereins. „Wir wollen dagegen das Engagement der Zivilgesellschaft setzen.“ Als Prozessbeobachter haben Vertreter des Brandenburger Bildungsministeriums und des Grünen-Landesvorstands zugesagt.

Die Verteidigung hat noch vor Verlesung der Anklageschrift gefordert, das Verfahren in ein anderes Bundesland zu verlegen. In Potsdam sei kein fairer Prozess möglich, da die Öffentlichkeit die Angeklagten vorverurteilt habe, argumentierte der Verteidiger. Über den Antrag muss das Gericht noch entscheiden. „Das Verfahren wird aber wohl nicht verlegt, nur weil die Presse darüber berichtet“, sagte der Anwalt des Opfers Tamás B., der als Nebenkläger auftritt.

Der Überfall gehört zu einer Serie von Racheakten zwischen linken und rechten Gruppen, die mit dem Anschlag Rechter in der Neujahrsnacht 2003 auf das linksalternative „Chamäleon“-Jugendhaus begann. Die Leiterin des „Chamäleons“ wurde nun ebenfalls von der Staatsanwaltschaft wegen versuchten Mordes angeklagt. Sie soll zusammen mit vier weiteren Beschuldigten aus der linken Szene im Juni 2005 einen Rechtsextremen verprügelt und mit einem Schlagstock mehrmals auf den Kopf geschlagen haben. JAN PFAFF