Drei Jahre Knast

Jürgen Trittin, Schlagstock und Bolzenschneider:Hat „Bild“-Chef Kai Diekmann gegen das Gesetz verstoßen?

Schon seit einigen Wochen ist der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin nicht mehr im Amt, aber der Bild-Zeitung macht er immer noch Ärger. Am 29. 1. 2001 hatte sie ein Foto von Trittin veröffentlicht, das ihn inmitten von mit Schlagstock und Bolzenschneidern ausgerüsteten Demonstranten zeigte – so die Beschriftung. Allerdings stellte sich bald heraus, dass es sich bei dem Bolzenschneider um einen Handschuh, beim Schlagstock um ein Seil und bei Trittin um einen friedlichen Demo-Teilnehmer handelte. Nun, fast fünf Jahre nach der vom Presserat gerügten Berichterstattung, steht die Frage im Raum, ob nicht Trittin, sondern der Bild-Chef selbst ein Straftäter ist.

Anlass zu dem Verdacht gibt eine Eidesstattliche Versicherung, die Diekmann gegenüber der Pressekammer des Hamburger Landgerichts abgab, nachdem die Zeit in einem Artikel über Bild gefragt hatte, „ob es Vorsatz sei, wenn ein Foto so beschnitten wird, dass ein Seil in der Hand von Jürgen Trittin als Schlagstock angesehen werden kann (…)?“. Gegen diese Behauptung hatte Diekmann erfolgreich eine einstweilige Verfügung durchgesetzt und dazu eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, in der er behauptet, dass „das Foto von Jürgen Trittin aus der Bild-Ausgabe vom 29. Januar in keiner Weise beschnitten worden sei“. Diese Aussage aber ist zweifelhaft. Denn Grundlage des Bild-Fotos war laut einer früheren Äußerung Diekmanns ein Foto aus Focus, das man bei Bild kurzerhand abgescannt hatte und auf dem klar zu erkennen ist, dass um Trittin herum keine bewaffneten Demonstranten waren. Der Stern, der in der aktuellen Ausgabe über neun Seiten die Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Bild in Diekmanns Amtszeit aufzählt, hat die Probe gemacht und das Foto aus Focus ebenfalls gescannt und abgedruckt. Und siehe da: es ist unbeschnitten und deutlich – kein Bolzenschneider, kein Schlagstock nirgends. An der Richtigkeit von Diekmanns eidesstattlicher Versicherung, so schlussfolgert der Stern, seien „Zweifel angebracht“.

Das aber wäre kein Kavaliersdelikt, sondern ein Straftatbestand, denn wer „eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Ein Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft bestätigt gegenüber der taz, dass der entsprechende §156 StGB tangiert sein könnte.

Unklarheiten gibt es zuhauf: Nicht nur stellt sich die Frage, ob man ein Foto, von dem man wissen müsste, dass es auf der Vorlage etwas anderes zeigt, als auf einem schlechten Scan zu sehen ist, abdrucken und falsch beschriften muss – sondern auch, ob die technischen Möglichkeiten in der Bild-Redaktion so viel schlechter sind als beim Stern und nicht ausreichen, ein Bild ordentlich abzuscannen? Und warum wurde das ursprüngliche Farbbild von Bild in Schwarzweiß gedruckt, was die Qualität noch weiter minderte?

Plausibel ist das alles nicht. Ahnt der Bild-Chef schon, was auf ihn zukommt? Zumindest zog er überraschend das Gegendarstellungsbegehren gegen die Zeit zurück, das auf der umstrittenen eidesstattlichen Versicherung beruht. Die Verfahrenskosten muss Bild tragen. Nicht gerade ein Ausweis von übergroßer Selbstsicherheit, die Diekmann sonst eisern ausstrahlt. O. GEHRS